Soll bei einer Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke auf Sicherheitsprüfungen und Nachrüstungen verzichtet werden? Und nimmt dann der Staat den Betreibern die Risiken ab? Das fragt sich die Günzburger Bürgerinitiative FORUM. Denn genau vor ihrer Türe steht bekanntlich das AKW Gundremmingen.
Laut einer Mitteilung der Initiative, die sich auf ein Treffen zwischen den AKW-Chefs und Vertretern der Bundesministerien für Wirtschaft und Umweltschutz bezieht, sei u.A. genau das eine Folge der besprochenen Möglichkeiten für eine schnelle Wiederinbetriebnahme, bzw. Laufzeitverlängerung.
Drei Varianten, so die Bürgerinitiative, wurden zwischen Bundesregierung und AKW-Konzernen besprochen. Das Protokoll lag beim FORUM-Treff am 10.08.2022 in Günzburg vor.
1. Eine Wiederinbetriebnahme bereits stillgelegter AKW
2. Eine etwa dreimonatige Verlängerung des Betriebs über den 31.12.2022 hinaus durch Verringerung der Leistung und somit des Spaltstoffverbrauchs im Laufe des Jahres 2022 und Weiterbetrieb bis etwa Ende März 2023 (Streckbetrieb, kein neuer Spaltstoff)
3. Eine Laufzeitverlängerung mit neuem Spaltstoff um 3 bis 5 Jahre
1. Eine Wiederinbetriebnahme sei unrealistisch, schreibt die Initiative, denn die Genehmigungen für den Leistungsbetrieb seien erloschen. Eine Neugenehmigung müsse die Sicherheit nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik nachweisen. Dieser Stand sei auch durch Nachrüstungen nicht erreichbar.
2. Ein Streckbetrieb führe nicht zu einer Mehrerzeugung von Strom aus den Kernkraftwerken. Es würde lediglich die Stromerzeugung vom Sommer 2022 in den Winter 2022/2023 verlagert. Ein möglicher Minderverbrauch von Erdgas im Winter würde fast vollständig durch einen Mehrverbrauch im Sommer aufgezehrt, der Netto-Effekt wäre demnach nahezu Null. In einer Gas-Mangellagen-Situation ergäbe sich insofern kein nennenswerter Nutzen.
3. Der Betrieb der letzten drei noch in Deutschland laufenden AKW Isar 2 (BY), Emsland (NI) und Neckarwestheim 2 (BW) ist nach Atomgesetz nur noch bis zum 31.12.2022 erlaubt. Nur bis dahin gelten die Nachweise zur Sicherheit (Unfälle) und zur Sicherung (Anschläge), so die Initiative. Mit Blick auf das Betriebsende 2022 wurde gesetzlich erlaubt, die Anlagen drei Jahre länger zu betreiben, obwohl die nach internationalen Regeln alle 10 Jahre fällige Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) bereits 2019 abgelaufen sei, schreibt die Initiative weiter. Die letzten PSÜ fanden demnach 2009 statt. Zudem wurden im Jahr 2012 auch mit den Erfahrungen aus dem Ausfall der Notkühlsysteme in Fukushima die Sicherheitsregeln verbessert. Die Bundesregierung schließe auch nicht aus, dass bei einer PSÜ nach den neuen Regeln bisher unerkannte Sicherheitsdefizite bemerkt würden und umfangreiche Nachrüstungen gerade bei der Sicherheitstechnik erforderlich würden. Beachtet werden müsse angesichts des kriegerischen Angriffs auf die Ukraine und deren AKWs, dass bei einer PSÜ neue Gefahren erkannt würden. Ein Weiterbetrieb wäre daher nur möglich, wenn die Sicherheitsprüfungen neue Risiken außer Acht ließen, schreibt die Initiative. Die AKW-Betreiber könnten sich demnach einen Weiterbetrieb nach einer zudem unvermeidlich längeren Betriebsunterbrechung dann vorstellen, wenn der Staat die Risiken übernähme und die Konzerne mit dem Betrieb beauftragen würde.
1. Die Initiative fordert keine Laufzeitverlängerung. Die abgenutzten drei AKW sollten möglichst schnell, spätestens bis Ende 2022 abgeschaltet werden. Dazu fordert sie unabhängige Gutachter mit der Prüfung der bayerischen Atomanlagen zu beauftragen. Der TÜV Süd habe durch das nicht mit Sachargumenten belegte Meinungspapier zum Weiterbetrieb der AKW seine gesetzlich gebotene Unabhängigkeit verloren.
2. Die Initiative fordert den konsequenten Ausbau der Solar und Windkraft. Windkraft sei besonders wichtig, da im Winter der Stromverbrauch hoch und die Solarstromerzeugung niedrig sei. In Bayern müssten im kommenden Jahr in jedem Landkreis im Schnitt zwei große Windkraftwerke gebaut werden. In den folgenden Jahren im Schnitt vier neue Windkraftwerke je Landkreis. Um die Genehmigungen voranzutreiben, soll eine Task-Force „Konsequenter Windkraftausbau“ beim Ministerpräsidenten eingerichtet werden. Diese bekäme Weisungsbefugnisse gegenüber den Landratsämtern. Genehmigungsverfahren müssten nach eineinhalb Jahren abgeschlossen werden. Mit der Solarbranche würde nach Wegen gesucht werden, wie der Arbeitskräftemangel, der neben Problemen im Verteilnetz am meisten den Ausbau behindert, durch beispielsweise Anwerbung ausländischen Personals verringert werden könne.
3. Die Initiative fordert, dass in Bayern kurzfristig ein Programm zum Energie- und speziell zum Stromsparen eingeführt werden soll. Stromzehrende Beleuchtungen und Schneekanonen seien dabei abzuschalten. Mit der Industrie seien Maßnahmen zum Lastmanagement wie zur Energieeinsparung zu vereinbaren.
4. Die Initiative schreibt dazu, dass die Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur vom 31.05.2022 zeige, dass Deutschland noch genug Kapazitäten für die Stromversorgung habe. Deutschlands Strommarkt wäre in den letzten Monaten in Stress gekommen, weil Italien wegen mangelnder Solar- und Windkraftkapazitäten und Frankreich wegen des Ausfalls vieler AKW bei ebenfalls mangelnden Solar- und Windkraftkapazitäten sehr viel Strom in Deutschland gekauft haben. Mit unseren Nachbarn müsse vereinbart werden, dass deutsche Stromexporte in solchen Situationen begrenzen werden müssten.