Angeklagter entschuldigt sich bei Rabbiner für den Brandanschlag

Prozess in Ulm gestartet

Am Donnerstag hat der Prozess gegen den 47-jährigen Serkan P. begonnen, dem vorgeworfen wird, im Juni 2021 einen Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge verübt zu haben. 

Der in Ulm geborene Mann mit türkischer Staatsangehörigkeit hat die Tat gestanden, doch sein Verteidiger Stefan Holoch bezeichnet in einem Gespräch mit DONAU 3 FM den Brandanschlag als untauglichen Versuch, die Synagoge in Brand zu stecken.

Auch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft werden beschädigte Steinplatten und das rußverunreinigte Jerusalmfenster erwähnt, die Schadensumme dürfte im niedrigen fünfstelligen Bereich liegen. Gleichwohl wirft der Staatsanwalt dem 47-Jährigen „schwere Brandstiftung mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung“ vor. Daher ist der Mann auch in Untersuchungshaft und wird in Hand- und Fußfesseln in den Saal geführt.

Die Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart geführt, die sich zentral für Baden-Württemberg um Staatsschutzverfahren kümmert. Auch der Sicherheitsaufwand im Landgericht ist hoch. Bereits im Eingang erfolgen Kontrollen, alle Prozessbesucher müssen eine Sicherheitskontrolle über sich ergehen lassen und auch im Schwurgerichtssaal sind deutlich mehr Justizwachtmeister als üblich.

Bereits wenige Tage nach der Tat war der Täter ermittelt, die Überwachungsvideos der Synagoge und aus dem Linienbus, mit dem er zum Tatort gefahren ist, haben dabei geholfen. Die Polizei konnte aus den Videos Fahndungsbilder extrahieren und bekam über eine Öffentlichkeitsfahndung die entscheidenden Hinweise. Als die Polizei dann bei Serkan P. vor der Haustüre stand, war er bereits in die Türkei ausgereist. Einem Auslieferungsersuchen der deutschen Staatsanwaltschaft kam die Türkei nicht nach. Erst im Sommer diesen Jahres konnte der Mann bei der Wiedereinreise verhaftet werden.

Der Tatablauf am Morgen des 5. Juni 2021 ist durch die Überwachungskameras der Synagoge gut dokumentiert. Serkan P. brachte in einem orangenen Stoffbeutel eine Zwei-Liter-Getränkeflasche mit, die er am Vorabend mit Benzin gefüllt hatte. Nachdem er das Benzin streifenförmig vor und an der Fassade unterhalb des Jerusalemfensters verschüttet hatte, zündete er das Benzin mit seinem Feuerzeug an und lief weg. Bereits nach wenigen Augenblicken erlosch der Brand wieder, da das Benzin verbrannt war. Rußspuren waren die sichtbare Folge.

Schon am gleichen Abend hatten die Stadt und die jüdische Gemeinschaft eine Mahnwache organisiert, in der Mitbürger und Politiker, auch aus der Landesregierung, die Tat verurteilten.

Bereits vor der Verhandlung hatte der Angeklagte gegenüber einem psychatrischen Gutachter erklärt, warum er den Brandanschlag verübte. Berichte über Unruhe in Jerusalem und das in seinen Augen harte Vorgehen von Polizei und Justiz hatten ihn bewegt. Auch die Leiden von Kindern im Krieg waren für ihn ein Auslöser. Und trotzdem bezeichnete er den Brandanschlag als eine Kurzschlussreaktion.

Unter den Zeugen, die schon am ersten Prozesstag befragt wurden, war auch der Ulmer Ortsrabbiner Shreur Trebnik. Neben der Frage nach den entstanden Sachschäden interessierte sich der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter auch für die emotionalen Folgen für die jüdischen Gemeindemitglieder und das Gemeindeleben. Der Rabbiner lies dabei immer wieder Emotionalität erkennen und doch waren die Wochen nach der Tat davon geprägt, dass man noch enger zusammengerückt ist: „Wir wollen uns sichtbarer machen und nicht schweigen“. Nach der Aussage von Trebnik meldete sich der Angeklagte zu Wort und richtete sich an den Rabbiner: „Es war eine Kurzschlussreaktion“ und „Ich habe nichts gegen das israelische Volk“.

In einem Gespräch nach der Zeugenaussage mit DONAU 3 FM wünschte sich der Rabbiner, dass diese Aussage des Angeklagten in die Öffentlichkeit getragen wird: „…um anderen potenziellen Tätern das Gefühl zu geben, hinterher bereut man so eine Tat. Es bringt keine Freude, es bringt Unsicherheit, ein unwohles Gefühl.“ Der Prozess soll im Januar mit drei weiteren Verhandlungstagen fortgesetzt werden.

Das könnte Dich auch interessieren

21.01.2025 Ulm – Staatsanwalt sieht weiterhin versuchten Totschlag Den gewaltsamen Angriff eines 41-jährigen Mannes im Mai auf seine Partnerin sieht der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als versuchten Totschlag. Der Verteidiger ist dagegen fest davon überzeugt, dass die mindestens sieben Schläge gegen den Kopf eine gefährliche Körperverletzung sind. Das Urteil vor dem Ulmer Landgericht soll am Freitag fallen. Tatablauf und Ermittlungen Verhandelt wird seit 14.01.2025 Ulm: Versuchter Mord oder Gewalt in der Beziehung In Handschellen und mit Fußfesseln wird am Dienstagmorgen der 41-jährige Krystian K. in den Gerichtssaal geführt. Vor dem Ulmer Landgericht muss sich der 41-Jährige wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags verantworten. Die Tatbeschreibung der Staatsanwaltschaft wiegt schwer. So soll der Mann im Mai vergangenen Jahres gegen zwei Uhr morgens seine damalige Partnerin im Streit gewürgt 17.12.2024 Haftstrafe nach versuchtem Mord an Mutter in Munderkingen Das Landgericht Ulm hat einen 63-jährigen Angeklagten zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Richter sind überzeugt, dass der Mann im April dieses Jahres in der Wohnung seiner 91-jährigen Mutter in Munderkingen ein Feuer gelegt hat, um sie und sich selbst umzubringen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Mordabsicht durch Küchenbrand Der Angeklagte soll einen Topf 13.12.2024 Eselsberg-Mörder in Psychiatrie eingewiesen Der 55-jährige Mann, der im März im Wahn seinen Nachbarn mit einem Messer tötete sowie dessen Ehefrau und Tochter schwer verletzte, muss in die Psychiatrie. Das Ulmer Landgericht sah es als erwiesen an, dass der geständige Täter in einem akuten Schub von Schizophrenie handelte und schuldunfähig war. Die Tat und ihre Umstände Schon zu Prozessauftakt