Baustellen-Zoff in Ulm City: Hafengasse "zugemauert" - Händler vor dem Aus?

Großbaustelle Ulm

Und wieder machen Ulmer Einzelhändler ihrem Ärger Luft über Baustellen mitten in der Fußgängerzone. Diesmal geht es um die Hafengasse, also die Shopping-Meile hinter dem Ulmer Münster.

Die Ulmer Einzelhändler sind von den Baustellen mitten in der Fußgängerzonge verärgert. Die nächste Baustelle soll die Hafengasse hinter dem Ulmer Münster werden. Die wird noch bis Ende Juli ans Glasfasernetz angeschlossen.

Christian Boris Hauf von der Bermuda Spirit Company schreibt in einem offenen Brief, dass die Bauarbeiten zu einem schlechten Zeitpunkt kommen. In den Monaten Mai bis Juli läuft das Geschäft im Jahr erstmalig richtig an. Durch die Baustelle, die sich durch die gesamte Gasse ziehen soll, wird es zu einem geringeren Besucherstrom kommen. Im Anschluss soll dann noch die Karpfengasse zur Baustelle werden, wo die Lieferanten Tonnenschwereprodukte anliefern.

„Wir werden verständlicherweise unter der Woche mehrfach mit Paletten beliefert. Wie wir über die Zeit der Baustelle mehrere Paletten in der Woche, die oft über eine Tonne wiegen, von A nach B bewegen sollen, bleibt hier mit mehreren Fragezeichen offen.“

Die Geschäfte zu erreichen, ist jetzt nicht mehr so einfach. Infos zur Baustelle gab es viel zu kurzfristig, sagen die Händler. Christian Boris Hauf überlegt schon, mit seinem Geschäft die Stadt zu wechseln.

„Im Grundsatz bedeutet das für uns als Unternehmen, dass wir es immer mehr in Erwägung ziehen, den Standort Ulm gegen einen Standort in einer anderen Stadt einzutauschen.“

Das sagen die Stadt Ulm und die SWU

Die Stadt und die SWU sehen zwar das Dilemma, ändern wohl aber nichts daran. Vielmehr bestätigen die offiziellen Stellen auf unsere Anfrage hin die Vorwürfe der Händler, sich viel zu spät an sie gewandt zu haben, nämlich erst Ende Mai, kurz vor Beginn der Baustelle. Auch eine Abstimmung mit der Händlerschaft fand im Vorfeld nicht statt.

Jetzt spitzt sich die Lage zu: Die Händler wollen das Weiterwandern der Baustelle durch die Hafengasse zur Frauenstraße hin verhindern. Wie genau ist noch nicht klar. Sie sprechen allerdings vom „Aus“, wenn sie „zugemauert“ werden, es ginge um Existenzen. Wenn Händler wie Christian Boris Hauf wirklich die Stadt verlassen, würde das die Ulmer Innenstadt weiter leerfegen – und auch dem erst im Januar extra eingestellten „Innenstadt-Verschönerungs-Manager“ wohl kaum gefallen.

Das schreibt der Chef von der Bermuda Spirit Company

Die Stadt Ulm wie sie sich „labt“ und lebt…

Nach nunmehr als zwei harten Corona-Jahren fällt der Stadt Ulm natürlich postwendend ein, den Glasfaserausbau voranzutreiben. In allerbester Manier und im Timing stets on Point, in den allerbesten Sommermonaten von Mai bis mindestens Ende Juli, wird die Hafengasse komplett zugemauert. Zwei dünne Stege an den Seiten sollen den „Besucherstrom“ durchlassen.

Nicht im Januar, Februar, März, oder gar im April soll die Straße komplett aufgerissen werden; nein direkt im Mai, wenn so langsam mal das Geschäft wieder zum Laufen kommt. Und das Beste daran ist, dass das Ganze eigentlich so gut wie ohne jegliche Ankündigung passiert und die spärlichen Informationen, die durchrieseln, sind dann auch noch fehlerhaft.

Wird erst von einem Ende des Ausbaus bei Hafengasse 18 gesprochen, was bei einem Streckenausbau selbstverständlich wenig Sinn macht, ist von heute auf morgen natürlich von der gesamten Hafengasse die Rede - abermals ohne wirkliche Vorankündigung.

Hierfür musste allerdings erst der Bauleiter der agierenden Firma persönlich im Laden vorbeikommen; die Stadt Ulm hat dafür keine Zeit und auch keine Muße.

Hierbei fiel dann auch noch nebensächlich die Info, dass natürlich auch die Rückseite, also die Karpfengasse direkt im Anschluss zu einer Baustelle werden soll. Dies wiederum bedeutet zum Beispiel für mich und unser Unternehmen, dass meine persönlichen Parkplätze am Laden nicht mehr zugänglich sein werden. Wir werden von der Stadt aus auch nicht entschädigt und uns wird auch keine adäquate andere Lösung angeboten.

Wie strafzettelbelastet unsere Stadt ist, brauche ich an dieser Stelle nicht ausführen.

Wir werden verständlicherweise unter der Woche mehrfach mit Paletten beliefert. Wie wir über die Zeit der Baustelle mehrere Paletten in der Woche, die oft über eine Tonne wiegen, von A nach B bewegen sollen, bleibt hier mit mehreren Fragezeichen offen.

Auch geht die Baustelle natürlich plötzlich sofort bis Ende Juli, nicht mehr wie von der Stadt angekündigt, bis Anfang Juli. Schreiben durch zum Beispiel unsere Vermieter an die Stadt werden in gewohnter Manier lapidar abgetan; mit den Worten „Sache des Vermieters und es ist ja zum Vorteil aller“…

Dass die Monate Januar bis April (in denen alle Geschäfte schon immer weit weniger Umsatz machen, als in den Folgemonaten) nicht für die Baustelle in Betracht gezogen wurden, liegt laut der Stadt Ulm am Frost.

Da meine Lebensgefährtin aber im Fernmeldebau leitend tätig ist und selbst am FTTH-Ausbau der Deutschen Telekom beteiligt ist; weiß ich, dass der Frost kein Hindernis für den Tiefbau und das Verlegen des Rohrverbandes darstellt, schon gar nicht im Pflasterbereich. Es kann lediglich beim späteren Einblasen der Glasfasern zu Problemen kommen, sofern die Temperaturen unter -2 Grad Celsius liegen. Hier sind die nötigen Tiefbauarbeiten allerdings längst abgeschlossen. Ich gehe davon aus, dass die vermutlich höheren Kosten hier den Ausschlag gegeben haben.

Was eine Baustelle vor einem Ladengeschäft bedeutet, kann einem eigentlich jeder Ladeninhaber, der schon einmal eine in nächster Nähe seines Geschäftes hatte, berichten. Alternativ nimmt man sich die Google Uni zur Hand und schaut dort, was es zum Thema Baustellen in Fußgängerzonen für überzeugende Statistiken etc. gibt. Im schlimmsten Falle sprechen wir hier über Umsatzeinbußen von 100%. Hiervon kann ich aus eigener Erfahrung berichten, denn als vor Jahren die Frauenstraße komplett umgebaut wurde, war dies an 3 von 6 Tagen akkurat der Fall.

Es bedeutet bereits einen enormen Umsatzrückgang, sobald eine Baustelle sich auch nur in der Nähe eines Ladens befindet. Und hiervon haben wir momentan ja nun auch nicht nur eine...  Genauer gesagt ähnelt Ulm momentan eher einer Residenz, umgeben mit Wehrgräben aus Baustellen; in die weder ein Rein- noch ein Rauskommen innerhalb eines sinnigen Zeitaufwandes möglich ist.

Jetzt aber auch noch direkt vor der Haustüre.

Nun kann man den planenden und ausführenden Stellen schlichtweg Unwissenheit oder grobe Fahrlässigkeit unterstellen, beides lässt allerdings berechtigte Zweifel an der Eignung für eine solche Stelle zu.

Es geht hier überhaupt nicht darum, ob man den Glasfaserausbau machen muss oder nicht. Dieser kann ja stattfinden aber ohne jegliche Rücksprache mit auch nur irgendeinem Ladeninhaber vor Ort und mit dem Vorwissen, dass die Sommermonate natürlich immensen Einfluss auf den Umsatz im Gesamtjahr haben, wird hier einfach nach dem Motto „Friss oder Stirb“ gehandelt.

Hier wird mit nicht weniger als der Geschäftsaufgabe einiger Ladenmieter gespielt. Dies ist der Stadt Ulm allerdings sehr wohl bewusst, man muss es eben nur einmal so sagen wie es ist: Es ist ihr aber scheißegal. Das hat die Stadt natürlich so nicht gesagt, man kann es nur wie immer ganz klar an dem zutage gelegten Benehmen erkennen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen - bis eine Woche vor Beginn der Baustelle, war uns besagtes Thema nicht bekannt und dass die Baustelle auf einmal bis direkt vor unser Geschäft und weiter geht, wurde erst Ende Mai beiläufig bekanntgegeben. Mit keinem Ladeninhaber hinter der Hafengasse 18 wurde direkt oder indirekt über diese Baustelle gesprochen. Man konnte sich also in keiner Weise vorbereiten oder auf die Umstände einstellen, was die ganze Situation zusätzlich noch erheblich verschlimmert hat.

Ich erkläre einmal anhand unseres Beispiels (Bermuda Spirit Company), was dies unter anderem noch für weitergehende Folgen, außer die offensichtlichen, hat.

An vielen Tagen haben wir geladene Partner, die in unserem Hause Verkostungen für das Laufpublikum anbieten. Diese Verkostungen tragen nicht unerheblich zu unserem Umsatz an besagten Tagen bei. Bei einer aber rapide absinkenden Laufkundschaft, kann auch niemand für eine Verkostung etc. gewonnen werden. Heißt im Umkehrschluss, wir können praktisch jedes dieser fix mit unseren Partnern vereinbarten Tastings für die Zeit der Baustelle absagen; da natürlich auch unsere Partner gewisse Erwartungen und Ziele für solche Tage an uns haben.

Wir planen die Änderung der Schaufenster mit Partnern über das Jahr hinweg im Voraus. Auch diese Arbeit ist nun ein Totalausfall. Hier werden unsäglich viele Arbeitsstunden und Geld kaputt gemacht. Es geht hier nicht alleine um den Umsatz, sondern die Planung und Zeit, die man in die Bewerbung besagter Tage mit Mitarbeitern und Agenturen gesteckt hat, alles umsonst...
Sprechen wir hier von Gastronomien in der Hafengasse, so ist wohl allen Beteiligten klar, dass es schlichtweg unmöglich ist, einen Außenbereich mit solch einer Baustelle direkt vor der Türe zu unterhalten.

Die Stadt, wie sie sich schon seit Jahren benimmt, sucht keine Gespräche und Lösungen mehr, sondern regiert und entscheidet ausschließlich von oben herab und lässt sich nur noch bei medialem Aufruhr zu Gesprächen herab. Es gehört derweil zu ihrer Manier, sich lieber mit Leserbriefen und Beschwerden abzugeben, als sinnig und unter der Einbindung aller Betroffenen zu planen.

In Telefonaten ist man gewohnt ahnungslos und eigentlich kommt man in den seltensten Fällen bei irgendeinem Verantwortlichen heraus; wenn denn überhaupt auszumachen ist, mit wem man jetzt wegen was sprechen muss/soll/darf. Eigentlich ist es allen zu viel und man wäre ja sowieso dauernd unterbesetzt. So das Gefühl, welches man in den Telefonaten vermittelt.

Dass man auch noch Preise für die Planung irgendwelcher Baupläne für Straßen bekommt, erinnert mich persönlich eher ein bisschen an den Deutschen Comedypreis. Schon lange nicht mehr lustig, aber man verleiht sich Titel.

Da wir auch Standorte in anderen Städten haben und uns oft mit Ämtern in Kontakt setzen müssen, wissen wir wie eine angemessene Zusammenarbeit auf Augenhöhe laufen kann und sollte.

So können wir aus eigener Erfahrung sagen, dass die Art und Weise der Stadt Ulm an sehr vielen Stellen gleichzeitig im besten Falle zu wünschen übriglässt und andere Städte weit dankbarer für Unternehmer in ihrer Stadt sind, die diese erst attraktiv machen. Denn was wäre eine Stadt ohne ihre Gastronomie, ohne Cafés und Ladengeschäfte..? Diese Wertschätzung fehlt in Ulm nicht erst seit gestern.

Ich persönlich als Unternehmer, habe normalerweise keine Ambitionen irgendjemanden um Hilfe zu bitten, was meine Arbeit angeht. Bei aussterbenden Innenstädten und generellem Rückgang der Kundenfrequenz, wäre mir allerdings schon sehr geholfen, wenn man uns nicht zusätzlich seitens der Stadt ständig ausbremst und boykottiert. Ich habe nicht vor um Hilfe zu bitten, meinen Laden aufrecht erhalten zu können. Wie viele andere kleine und große Unternehmer, machen wir diese Stadt erst interessant und möchten deshalb nicht auf Hilfe angewiesen sein.

Seit Jahren muss ich aber beispielsweise pro Woche im Durchschnitt schon über eine Stunde für den unfreiwilligen- und sinnigen Austausch mit der Stadt einplanen. Dieser geht hin, bis zu Strafzetteln der Stadt auf unserem firmeneigenen Parkplatz…

Im Grundsatz bedeutet das für uns als Unternehmen, dass wir es immer mehr in Erwägung ziehen, den Standort Ulm gegen einen Standort in einer anderen Stadt einzutauschen; da die Stadt Ulm Ladeninhaber und Selbstständige in zu vielen Bereichen mit Regulierungen und nicht zu bewältigender Bürokratie belegt, während sie weiter an anderen Stellen bewusst oder unbewusst regelmäßig sabotiert.

Dass wir mit unseren Gedanken nicht alleine oder die Minderheit sind, zeigt eigentlich so gut wie jedes Gespräch mit Betroffenen, Unternehmern oder Passanten sowie Bekannten und Unbekannten...

Spaß macht es hier in Ulm schon lange keinem mehr.

Christian Boris Hauf

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