Biberachs OB Zeidler: Auf-Zu-Auf-Zu nicht die einzig richtige Antwort

„Verlässlichkeit und Ermöglichung von bürgerschaftlicher Eigenverantwortung.“ Dafür steht Biberach seit jeher – und zurzeit erst recht. Das haben z.B. die letzten Biberacher Filmfestspiele gezeigt, die trotz Präsenzveranstaltung und mitten in der Krise keine einzige darauf zurückfallende Corona-Infektion verzeichnet haben. Warum? Wegen des ausgeklügelten Hygienekonzepts.

Das „Auf-Zu-Auf-Zu“-Gebaren im Krisenmanagement der Bundesregierung passt nicht zu Biberach und auch Biberachs OB Norbert Zeidler verlangt deutlich mehr Verlässlichkeit von Land und Bund. Auch könne nicht einzig die Inzidenz jede Maßnahme rechtfertigen: der R-Wert, die Sterblichkeit oder auch die Auslastung der Krankenhäuser sollten genauso betrachtet und in Entscheidungen einbezogen werden.

Die Stadt nimmt jetzt einen sechsstelligen Betrag in die Hand, um mit einem eigenen Konzept Öffnungen zu ermöglichen: Das „Testen, Testen, Testen“ will die kleine, starke, oberschwäbische Stadt selbst in die Hand  nehmen – und ist auf einem guten Weg. Vielleicht wird Biberach dadurch das nächste Tübingen. Mutig waren die Biberacher schon immer.

Sollte es sich allerdings überhaupt nicht nicht vermeiden lassen, geht auch die Stadt an der Riss mit in den nächsten Lockdown. OB Zeidlers Plan kann nur aufgehen, wenn Bund oder Land die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft. „Wir stellen uns die Frage, ob dieses Auf-Zu-Auf-Zu die einzig richtige Antwort ist.“, so Zeidler.

In diesem „Biberacher Geist“ hat OB Zeidler eine Resolution an die Landesregierung verfasst.

Die Biberacher Resolution im Wortlaut

Verlässlichkeit und bürgerschaftliche Eigenverantwortung stärken – Lebendige Innenstädte bewahren

Biberach hat über viele Jahre viel Engagement und Energie in eine attraktive und lebendige Innenstadt investiert. Der Erfolg dieser Bemühungen wird unter anderem durch das IHK Einzelhandelskompendium von 2018 bestätigt, das konstatiert, dass „Biberach unter den Mittelzentren der Region in einer eigenen Liga“ spiele. Die im Zuge der Pandemie mehrmals erfolgten Schließungen gefährden das Erreichte nachhaltig.

Diese Resolution stellt eine logische Fortsetzung des bisherigen Kurses der Stadtverwaltung Biberach sowie des Gemeinderates der Stadt Biberach dar, der auf zwei Pfeilern ruht: Verlässlichkeit und Ermöglichung von bürgerschaftlicher Eigenverantwortung.

Mit großer Sorge stellen wir fest, dass die derzeitige Corona-Politik, die von Bund und Ländern verantwortet wird, diesen „Biberacher Geist“ nicht atmet. Dies gilt insbesondere für die ausschließliche Kopplung von möglichen Öffnungsschritten – und deren jederzeit mögliche Rücknahme! – an den landkreisweiten Inzidenzwert pro 100.000 Einwohnern. Diese Regelung bietet Einzelhändlern, Gastronomen, Kulturschaffenden sowie allen weiteren betroffenen Branchen nicht die Verlässlichkeit und Planbarkeit, die sie so bitter nötig hätten!

Gleichzeitig treibt diese Vorgehensweise die ohnehin schon schwer vermittelbare Unterscheidung zwischen „systemrelevantem“ und „nicht-systemrelevantem“ Einzelhandel auf eine absurde Spitze: Während die Mehrzahl von Geschäften inzidenzunabhängig regulär geöffnet bleiben darf, werden einzelne Branchen unter das Diktat einer volatilen Inzidenzzahl gestellt. Zudem greift der alleinige Blick auf die landkreisweite Inzidenz unseres Erachtens zu kurz: Bei der Bewertung des aktuellen Infektionsgeschehens müssen vielmehr weitere wichtige Faktoren ins Kalkül gezogen werden. Dazu gehört insbesondere die Frage nach der örtlichen bzw. regionalen Eingrenzbarkeit von Infektionsausbrüchen (bspw. in einzelnen Kindertageseinrichtungen oder Schulen), die Inzidenz in den verschiedenen Altersgruppen, der R-Wert, die Sterblichkeit sowie die Frage nach der Auslastung der Kapazitäten der Krankenhäuser der Region. Auch die lokalen Testkapazitäten sollten bei der Bewertung des Geschehens Beachtung finden. Erst in der Zusammenschau all dieser Faktoren sollte durch die Verantwortlichen eine Entscheidung über etwaige notwendige Maßnahmen getroffen werden. Es ist außerdem dringend geboten, die nach wie vor bei weitem nicht befriedigende Impfkampagne mit aller Kraft voranzutreiben und sowohl organisatorisch als auch hinsichtlich der Beschaffung von Impfstoff deutlich nachzubessern.

Einzelhandel, Gastronomie, Kulturbetrieb und weitere betroffene Branchen verfügen über belastbare Hygienekonzepte, sind bestens auf den Betrieb unter pandemischen Bedingungen vorbereitet und haben bereits unter Beweis gestellt, dass sie mehr als verantwortlich mit der Situation umgehen. Ermöglichen wir ihnen also die dauerhafte Wiederaufnahme ihres Betriebes und setzen gleichzeitig auf eine mündige und verantwortungsbewusste Bürgerschaft!

Verlässlichkeit und bürgerschaftliche Eigenverantwortung müssen zu den Dreh- und Angelpunkten der Corona-Öffnungsstrategie werden. Nur so können die Grundsätze unseres liberalen Staates gewahrt, noch größerer volkswirtschaftlicher Schaden von unserem Land abgewandt und unsere lebendigen Innenstädte bewahrt werden.

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