Bundeswehr unterstützt mit einem Intensivtransportwagen den Rettungsdienst

Kurz vor acht Uhr morgens piepst der Funkmelder in der Hosentasche von Kraftfahrer Simon Grosser das erste Mal, dabei ist sein Intensivtransportwagen (ITW) offiziell erst ab acht Uhr im Dienst. Bis in den Abend hinein sind dann seine Kollegen und er im Ulmer Bundeswehrkrankenhaus (BwK) einsatzbereit um auf Abruf durch die zentrale Rettungsdienstleitstelle Baden-Württemberg Schwerkranke zwischen Krankenhäusern zu verlegen.

Noch steht der ITW in der Fahrzeughalle der Rettungswache auf dem Ulmer Eselsberg, Grossers Kameradin Oberstabsgefreite Charlotte Handschuh kontrolliert die linke Fahrzeugseite, öffnet alle Klappen, überprüft den Inhalt und verriegelt alles wieder. Stabsunteroffizier Grosser ist auf der rechten Fahrzeugseite mit den gleichen Aufgaben unterwegs, am Führerhaus trifft man sich. Ein Kanister AdBlue wird gemeinsam eingefüllt, dann wird auch noch ein Kanister Scheibenwaschflüssigkeit nachgeschüttet, denn auch heute wird das Rettungsfahrzeug mehrere Hundert Kilometer unterwegs sein. Aus einem kleinen Ölfläschchen träufelt Handschuh noch ein paar Tropfen Öl in den Kompressor für das Martin-Horn: „Das aufgewirbelte Streusalz auf den Straßen verklebt sonst den Kompressor“. Die Sondersignalanlage darf nicht ausfallen, wenn die Fahrt eilig ist.

Im Inneren des ITW checken zwei weitere Kameraden die gesamte Medizintechnik. EKG-Monitor und Beatmungsgerät sind zweimal vorhanden, einmal an der Wand und einmal unten in der Trage eingebaut. Dazu unzählige Spritzenpumpen, die hochwirksame Medikamente auf den Zehntelmilliliter genau in den Patientenkörper abgeben können. Es ist eng im über zwei Meter breiten Patientenraum, denn überall hängen Gerätschaften, Schränke voller Verbrauchsmaterial und Medikamente.

Die gelbe Trage fällt auf, denn sie ist riesengroß, die Liegefläche ist nicht so schmal wie eine normale Rettungsdiensttrage, die durch Zimmertüren passen muss, sondern kann auch voluminösere Patienten aufnehmen. 85 Zentimeter breit und über zwei Meter lang ist die gepolsterte Liegefläche, unterhalb dann Halterungen für Medizintechnik. Dieses Intensivtransportsystem eines Herstellers vom Bodensee kann 400 Kilo Zuladung aufnehmen und erspart viel Umladearbeit beim Transport von Klinik zu Klinik.

Im Arztzimmer telefoniert Oberfeldarzt Mirjam Kauper währenddessen mit dem Krankenhaus in Friedrichshafen. Dort soll die Verlegung starten und nach Wangen gehen. Kauper spricht mit dem Arzt, der bisher den Patienten behandelt hat und lässt sich die Vorgeschichte und den aktuellen Zustand des Patienten erklären. Die Zentrale Koordinierungsstelle Baden-Württemberg hat die Ulmer beauftragt, den Transport durchzuführen, da auf dem Transport Überwachungsgeräte für den Patienten benötigt werden, die ein normaler Rettungswagen nicht hat.

Manchmal ist es aber auch nur das Gewicht des Patienten, der die Ulmer Spezialisten erforderlich macht. Vergangene Woche musste ein Patient von Mannheim nach Karlsruhe gebracht werden. Mit 250 Kilogramm war der Patient auch für alle anderen ITW in Baden-Württemberg zu schwer, die Ulmer konnten mit ihrem Spezialbett den Transport problemlos abwickeln. Im Ulmer ITW reicht der Platz für zwei normale Rettungswagentragen nebeneinander oder die große Intensivtransporttrage, selbst ein ganz normales Klinikbett könnte zum Transport benutzt werden, denn am Heck des ITW befindet sich eine Ladebordwand, mit der die Betten von der Straße bis auf Fahrzeughöhe angehoben werden können.

Die kurze Buchstabenkombination „ITW“ wird der Größe des Fahrzeuges überhaupt nicht gerecht, denn Grossers Fahrzeug ist zwar nur etwas länger als acht Meter, dafür aber über die Spiegel 3,10 Meter breit und auch 3,20 Meter hoch. 250 PS treiben einen Lastwagen an, der ein zulässiges Gesamtgewicht von 12 Tonnen hat. Auch wenn normale Lastwagen nur 80 km/h schnell sein dürfen, der Bundeswehr-ITW ist auf 130 km/h begrenzt, denn für Rettungswagen im Notfalleinsatz gelten nicht alle normalen Verkehrsregeln.

Der Transport im ITW kann für die Schwerkranken körperlich ungeheuer belastend sein, daher muss das Fahrzeug manchmal sehr zügig unterwegs sein und darf sich nicht von Stau oder roten Ampeln aufhalten lassen. Kaum ein Transport wird mit Höchstgeschwindigkeit durchgeführt, doch diese Reserven sind notwendig. Über Video und Sprechanlage kommuniziert der Fahrer mit dem medizinischen Personal im Patientenraum. Gerade bei Corona-Transporten kann es für das Personal im Fahrzeugheck sehr anstrengend werden. Von der Decke baumeln vier Atemschutzgeräte, das Gesicht wird luftdicht umschlossen, die Filter werden als Rucksack auf dem Rücken getragen. Dazu muss dann dampfdichte Schutzkleidung getragen werden, damit die Helfer vor Viren geschützt sind. Die Ärztin Mirjam Kauper gibt zu, dass sie nach solchen Fahrten komplett durchgeschwitzt ist, doch der Schutzaufwand scheint zu lohnen. Bisher hat sich niemand bei solch einem Transport infiziert.

Angeschafft wurde der ITW am Ulmer Bundeswehrkrankenhaus ursprünglich für Transporte der Bundeswehr zwischen Bundeswehrkrankenhäusern oder um an den Flughäfen der Umgebung Patienten abzuholen, die mit den Airbus-Flugzeugen des MedEVAC-Systems der Bundeswehr aus den Auslandseinsätzen zurück nach Deutschland geholt wurden. So wurden im vergangenen Jahr Soldaten in Stuttgart abgeholt, die Opfer eines Anschlages in Mali wurden, oder am Flughafen Memmingen wurden ukrainische Soldaten abgeholt, die im Ulmer BwK weiterbehandelt wurden.

In der Corona-Pandemie kam das baden-württembergische Innenministerium auf das Ulmer BwK zu, ob sie das Land im Rettungsdienst zusätzlich unterstützen können. Um seit April vergangenen Jahres diese zusätzliche Arbeit leisten zu können, bekommt das BwK Unterstützung durch das Bundeswehr-Ausbildungszentrum in Pfullendorf und durch das Sanitätsregiment 3 in Dornstadt. Handschuh und Grosser sind von ihrer normalen Arbeit in Dornstadt abgezogen, um als Kraftfahrer den ITW durch Baden-Württemberg zu fahren. Gleichzeitig sind Dutzende andere Kameraden eingesetzt, um in der zivil-militärischen Zusammenarbeit in Impfzentren zu arbeiten oder die Gesundheitsämter bei der Kontaktnachverfolgung zu unterstützen. Seit Beginn der Pandemie kümmert sich so das Sanitätsregiment nicht nur um die Gesundheit der deutschen Soldaten im In- und Ausland, sondern ist weltweit auch für Zivilisten im Einsatz. Im vergangenen Jahr wurde wochenlang eine Intensivstation in Portugal betrieben und Sauerstoff-Erzeugungsanlagen nach Indien geliefert und in Betrieb genommen.

Gemeinsam mit Ärzten und Pflegern aus dem BwK sind die Dornstadter mit dem ITW für zivile Patienten unterwegs, der leitende Oberarzt Björn Hossfeld von der Intensivmedizin des Ulmer BwK hat seit April 429 Einsätze quer durch Baden-Württemberg aufgelistet. Der Bedarf am zusätzlichen Ulmer ITW ist weiterhin vorhanden, werktags von acht bis acht steht das Fahrzeug auf Abruf bereit und es gab noch keine einsatzfreien Tage.

Text/Foto: Thomas Heckmann

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