Darf ein Neu-Ulmer Politiker Klimaaktivisten öffentlich "beleidigen"?

Klimaaktivisten erstatten Anzeige gegen CSU-Politiker

"Abschaum", schrieb der 35-jährige Pfuhler CSU-Bezirkstagskandidat Darian Williams zu einem Bild einer Klimaprotestaktion in Ulm auf Instagram. Zwei Aktivisten hatten durch ihre Aktion den Berufsverkehr auf der Adenauerbrücke blockiert. Die Klimaaktivisten wollen den Lokalpolitiker jetzt anzeigen. Die Frage: Ist das eine Beleidigung oder gilt das als Meinungsfreiheit? 

Ob man es gutheißen möchte oder nicht: Die Aktionen polarisieren. Vor rund vier Wochen hatten Klimaaktivisten den Verkehr an der Adenauerbrücke in Ulm blockiert, um darauf aufmerksam zu machen, dass die CO2-Emissionen im Verkehrssektor zu hoch seien und Bundesverkehrsminister Wissing damit die Klimaschutzziele nicht einhalte.

Darüber muss man streiten. Wie sich die Aktion der beiden Aktivisten auf sie selbst strafrechtlich auswirken wird, ist auch noch unklar.

Ein Lokalpolitiker aus dem Neu-Ulmer Stadtteil Pfuhl muss jetzt aber mit rechtlichen Konsequenzen rechnen: Denn er nannte die Aktivisten „Abschaum“ – und das öffentlich in den sozialen Medien. Da er zu seinem Posting steht, wollen die Klimaaktivisten den Lokalpolitiker jetzt anzeigen. Die Frage, die sich stellt: Ist das eine Beleidigung oder gilt das als Meinungsfreiheit? Und darf gerade ein Politiker sowas machen?

Umstrittener Klima-Aktivismus

Die Gruppe „Unterstützer*innen des wissenschaftlichen Diensts des Bundestags“ steckte hinter der Ulmer Aktion vom  18. Juli 2023. Zwei Aktivisten der Gruppe waren auf die Schilder der Adenauerbrücke geklettert und hatten die Tafeln mit Botschaften überklebt: „Wissenschaft fordert: Tempo 100, 0-Euro-Ticket, Klimakrise stoppen“, „Spielstraße statt Schnellstraße“, „Wissing absägen. Bäume stehen lassen“ ersetzten für einige Zeit die wegweisenden Informationen auf der B28. Es sei eine Kunstaktion, erklärt die Gruppe, die den morgendlichen Berufsverkehr komplett lahmlegte. Der Protest erntete teils heftige Kritik – und wird sicher auch noch ein rechtliches Nachspiel haben.

„Abschaum“

Darian Williams ist in der Jungen Union und bei der CSU-Pfuhl politisch aktiv. Er kandidiert bei den Wahlen in Bayern im Hebst für den Bezirkstag. Auf seinem Instagram-Profil teilte der Politiker am 18. Juli 2023 ein Bild, das er selbst von der Protestaktion gemacht hat. Zu sehen: Die Schilder der Konrad-Adenauer-Brücke in Ulm. In einer neongelben Warnweste sitzt einer der beiden Aktivisten auf den Schildern und ist gerade dabei, eine der Botschaften dort anzubringen. Darunter hat Williams einen vor Wut rot angelaufenen Emoji platziert. Seine Follower können mit dem Tool abstimmen, wie sauer sie über die Aktion sind. In Versalien darüber: das Wort „Abschaum“.

Darf er doch sagen, oder nicht?

Darf er denken – keine Frage. Stichwort Meinungsfreiheit. Mit dem sagen, da ist das Strafgesetzbuch weniger eindeutig.

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ob „Abschaum“ nun als Beleidigung eingestuft wird, darüber kann man nur spekulieren. Denn es gibt Urteile, in denen es als Beleidigung ausgelegt wurde und eben auch solche in denen „Abschaum“ als Meinung zählte.

Fakt ist: Professionell lässt die Aussage einen Politiker – der für ein Amt kandidiert – nicht wirken. Als Peron, die in der Öffentlichkeit steht, trägt er große Verantwortung. Er bietet so möglicherweise Hass und Hetze eine Plattform, statt konstruktiv und sachlich in den Diskurs zu treten. Es handelt sich nicht nur um ein privates Profil, auf dem Williams lustige Fotos mit seinen Freunden teilt. Es handelt sich um ein öffentliches Profil eines Kandidaten für ein politisches Amt, wie er selbst in seiner Account-Beschreibung festhält.

Johannes Stingl, CSU-Fraktionsvorsitzender und 2. Bürgermeister in Pfuhl, der mit Williams im Ortsverband er CSU- Pfuhl zusammenarbeitet sagt:

Ich halte das persönlich so, dass wir in der Auseinandersetzung hier im Stadtrat und ansonsten auch, stets so verfahren, dass wir hinterher noch miteinander reden können. Von daher können wir nur zur allgemeinen Zurückhaltung ermahnen.

Obwohl der CSU-Politiker den Protest selbst ebenfalls nicht gutheißt:

Ich sehe das so, dass die Art und Weise, wie protestiert wird, die Gesamtsituation im Klimaschutz nicht voran bringt, sondern, dass es einfach viele Bürgerinnen und Bürger schlicht abstößt. Und damit kommen wir in der Sache nicht weiter, so Stingl.

„Wir erstatten Anzeige.“

Anzeige stellen, das können in solchen Fällen nur die Beleidigten selbst. Deshalb lag es in der Hand der beiden Aktivisten, die auf die Schilder kletterten, ob sie rechtliche Schritte einleiten.

Ingo Blechschmidt, der selbst Klimaaktivist ist und die Pressearbeit für die Aktion machte, teilte nun mit: „Wir erstatten Anzeige!“

Zunächst dachten wir, dass ein Politiker, der sich auf christliche Werte beruft, sich dann vielleicht auch einfach entschuldigen kann – und dann hätte man das auch im Sande verlaufen lassen können. Aber dem war nicht so.

Auf die persönlichen Mails der Aktivisten an den Politiker habe Williams, so Blechschmidt, nicht reagiert.

Auf DONAU 3 FM Anfrage erklärt Williams, er wäre zum Zeitpunkt der Aktion am 18. Juli selbst von der Verkehrsblockade betroffen gewesen, weil er auf dem Weg zur Arbeit war. Die Instagram-Story sei das Ergebnis seines persönlichen Unmuts.

War das nun eine Beleidigung – oder gilt das als Meinungsfreiheit? Das wird sich nach der Anzeige wohl noch zeigen. Da die beiden Aktivisten bei der umstrittenen Protestaktion festgenommen wurden, müssen übrigens auch sie mit einer Anzeige rechnen.

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