Ernst-Wilhelm Gohl ins Amt des Landesbischofs eingeführt

„Diese Liebe will ich in der Welt bezeugen“

Jetzt ist es soweit: Ernst-Wilhelm Gohl ist feierlich ins Amt des Landesbischofs eingeführt worden und damit nicht mehr der Ulmer Münsterdekan. Gleichzeitig wurde der vorherige Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July in den Ruhestand verabschiedet.

Im Beisein von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und rund 600 geladenen Gästen aus Kirchen, Gesellschaft und Politik ist in einem festlichen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche am 24. Juli Ernst-Wilhelm Gohl in sein Amt als neuer Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eingeführt worden. Damit ist er jetzt nicht mehr der Ulmer Münsterdekan. Zugleich hat die Landeskirche Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July in den Ruhestand verabschiedet.

Kretschmann würdigt July und beglückwünscht Gohl

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann würdigt Julys Wirken folgendermaßen: „Der Anspruch von Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July war es von Anfang an, zwischen den starken Richtungen und Prägungen seiner Landeskirche keine Spaltung erwachsen zu lassen, sondern Brücken zu bauen. Auch im Verhältnis zwischen Staat und Kirche hat Dr. h.c. July stets Kontakt gesucht, das offene Wort dabei nicht gescheut, aber auch immer das Verbindende gesehen. Mit großer Leidenschaft hat er sich auch für die Ökumene mit den katholischen und orthodoxen Geschwisterkirchen eingesetzt. Deshalb danke ich Dr. h.c. July von Herzen für die gute und fruchtbare Zusammenarbeit in den letzten Jahren!“, sagte Ministerpräsident Kretschmann. „Dem neuen Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wünsche ich für seine Aufgabe alles Gute, viel Erfolg und den Segen Gottes für sein Tun. Gerade bei den aktuellen, großen Herausforderungen für die Kirchen ist sein Amt sehr anspruchsvoll!“

Der Gottesdienst stand unter einem Wort aus dem Matthäus-Evangelium „Christus spricht: Siehe, ich bin bei Euch alle Tage …“ aus dem 28. Kapitel des Matthäus-Evangeliums. Vor über 600 geladenen Gästen predigte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl über Mt 28,16-20. In diesem Text verheißt der auferstandene Jesus seinen Jüngern seinen Beistand und gibt ihnen den Auftrag, seine Botschaft in die Welt zu tragen: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Gohl: Was ist der Auftrag der Kirche?

Gohl deutet den Text im Hinblick auf den Auftrag der Kirche: „Was ist der Auftrag der Kirche? Dann sind diese Worte Jesu der Maßstab: Wir gehen hin. Wir hören zu. Wir verkündigen die frohe Botschaft von Gottes Liebe. Diese Liebe schaut nicht darauf, was jemand kann oder nicht. Diese Liebe verändert Menschen zum Guten. Sie gibt niemanden auf.“ In Mt 28 ist auch vom Zweifel der Jünger an Jesu Auferstehung die Rede. Den Zweifel deutete Gohl als positive Kraft: „Jesus verliert kein Wort über den Zweifel. Er lässt ihn stehen. Neben der Anbetung. Seltsamerweise gehört so der Zweifel zum Glauben. Dieser Zweifel entlastet. Sich unzulänglich fühlen, nicht genug Vertrauen haben – das gehört dazu. Die Welt ist eben nicht schwarz oder weiß. Der Glaube ist es auch nicht. Es gibt die Grenzen der Erkenntnis. Und eine Kirche, die dem Zweifel keinen Raum lässt, wird zur Sekte. Bei manchen Diskussionen gerade bei ethischen oder moralischen Fragen wünschte ich mir mehr Zweifel. Denn meist schafft eine einzige, alles andere ausschließende Lösung ja wieder neue Probleme.“

Gohl bezog dies auch auf Waffenlieferungen an die Ukraine. Christinnen und Christen glaubten an die Zusage Jesu: „Selig sind die Frieden stiften!“ Er sei überzeugt, dass Frieden letztlich nicht mit Waffengewalt zu erreichen sei. Aber, so Gohl weiter: „Dennoch halte ich es für richtig, dass auch unser Land die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt. Wenn ein Land überfallen wird, Dörfer und Städte in Schutt und Asche gelegt werden, wenn grausame Verbrechen verübt werden, wenn Teile der Bevölkerung in den besetzten Gebieten deportiert werden – dann halte ich es für ethisch und christlich geboten, diesem Land zu helfen, sich gegen diese brutale Übermacht zu verteidigen. Denn Frieden ohne Gerechtigkeit wird es nicht geben. Davon bin ich überzeugt. Frieden ohne Gerechtigkeit würde nur den Sieg der Gewalt bedeuten. Und dennoch bleiben Zweifel. Sie müssen bleiben! Um der Wahrhaftigkeit willen! Denn der oder die Zweifelnde weiß, es könnte auch alles ganz anders sein. Deshalb hält der Zweifel das Gespräch offen. Und dieses offene Gespräch brauchen wir unbedingt in unseren polarisierten Zeiten.“

Weiter sprach Gohl von den großen Herausforderungen, vor denen Landeskirche stehe und die vielen Angst machten: „Ich kenne das, bin da aber weiter zuversichtlich. Gott hat mit Nicht-Helden seine Kirche gegründet. Und er wird sie mit Nicht-Helden weiter durch die Zeit bringen. Diese Kirche wird sich verändern. Das tut sie sich übrigens schon seit 2000 Jahren. Sie wird sich verändern. Aber sie wird nicht verschwinden. Unser Auftrag ist einfach zu wichtig für diese Welt. Sie braucht dringend Gottes Liebe. Diese Liebe gilt der ganzen Welt. So verstehe ich meinen Dienst in der Kirche – auch jetzt als Bischof, als Christ. Diese Liebe will ich in der Welt bezeugen. Zusammen mit allen Christinnen und Christen.“

Aufgabenfelder des Landesbischofs

Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July betonte in seiner Hinführung zum Amtsversprechen: „Bei dem Leitmotiv dieses Tages haben wir auf Matthäus 28 gehört: ‚Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende…‘ Unter diesem Wort gebe ich voll Vertrauen auf Gottes Geleit und Segen das Amt des Landesbischofs in der evangelischen Landeskirche in Württemberg – nach der Wahl durch die Landessynode – an dich weiter.“ Er wies auf die Verpflichtung hin, „das Evangelium in den Verhältnissen unserer Tage in die Lebenswelt der Menschen zu bringen, in ökumenischem Geist und diakonischer Haltung. In öffentlicher Verantwortung und sensibler Seelsorge.“ Veränderungen in der Gesellschaft und Herausforderungen für die Kirchen in Deutschland würden die Aufgabenfelder des Landesbischofs begleiten, „und auch mit deinen neuen Gaben werden weitere Perspektiven aufzuzeigen sein.“

In ihrem Zeugenwort für den neuen Landesbischof sagte Synodalpräsidentin Sabine Foth: „Wir haben als Synodale einige gemeinsame Jahre mit Höhen und Tiefen erlebt, und ich freue mich, dass ich nun deine ersten Jahre im Bischofsamt als Präsidentin der Landessynode begleiten darf. Persönlich wie auch stellvertretend für die Synode möchte ich dir folgende Bibelworte aus den Sprüchen 16, 3 mit auf den Weg geben: Befiehl dem Herrn deine Werke, so wird dein Vorhaben gelingen.“

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl dankte Frank Otfried July für seinen 17 Jahre währenden Dienst: „Unser aller Dank gilt dir als fröhlichem Verkündiger des Evangeliums, deiner Menschenfreundlichkeit und deinem großen Geschick als Moderator und Brückenbauer in Kirche und Gesellschaft. Kompromissbereitschaft und Geduld sind Gaben, die ein Brückenbauer braucht. Die hast du in einem hohen Maß eingebracht und so zu mancher Einigung entscheidend beigetragen, z. B. bei der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare.“ July habe dieses Amt gerade in Zeiten besonderer Herausforderung als Amt der Einheit verstanden, über trennende Gräben hinweg und im Zusammenwirken von Kirche und Diakonie: „Ich denke da an deine Zusicherung von der flüchtlingsbereiten Kirche 2015 und deinen unermüdlichen Einsatz für die Schwachen in der Zeit der Pandemie.“ July habe Reformen in der Landeskirche angestoßen und begleitet und gemeinsam mit dem Kollegium des Oberkirchenrates viele schwierige Entscheidungen treffen müssen und sich dabei von einem Wort aus dem 1. Petrusbrief leiten lassen, das alle Christinnen und Christen aufrufe, ‚Rechenschaft abzulegen von der Hoffnung, die in euch ist.‘ Diese Hoffnung habe July ausgestrahlt – „auch, weil du erfahren hast, dass Kirche Jesu Christi immer größer ist als die eigene Landeskirche. Das zeigen auch deine vielen ökumenischen Kontakte und dein Einsatz als Vizepräsident des Lutherischen Weltbunds.“

rund 600 Gäste

Neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirkten am Gottesdienst mit: Sabine Foth (Präsidentin der Württembergischen Evangelischen Landessynode), Landesbischöfin Prof. Dr. Heike Springhart (Ev. Landeskirche in Baden), Bischof Dr. Gebhard Fürst (Diözese Rottenburg-Stuttgart), Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (Ev. Kirche in Hessen und Nassau für die EKD) und Bischof Anba Damian (Diözese der koptisch-orthodoxen Kirche in Norddeutschland) sowie weitere leitende Geistliche verschiedener Kirchen mitwirken.

Unter den rund 600 Gästen waren zudem Erzbischof Stephan Burger (Erzbistum Freiburg), Landtagspräsidentin Muhterem Aras, Innenminister Thomas Strobl, die frühere Kultusministerin Annette Schavan sowie eine Reihe von Bundestags- und Landtagsabgeordneten, Oberbürgermeistern und Repräsentanten kirchlicher, politischer und kultureller Organisationen und Institutionen.

Musikalisch wirkten mit: Die Stuttgarter Kantorei und die Stiftsphilharmonie unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor (KMD) Kay Johannsen, der Schwäbische Posaunendienst unter der Leitung von KMD Hans-Ulrich Nonnenmann, die 2. Stiftsorganistin Clara Hahn, Studierende der Hochschule für Kirchenmusik sowie die Hanke Brothers.

Ein Nachfolger für Gohl als Ulmer Münsterdekan wird derzeit noch gesucht. Heute wurde er nun vollumfänglich ins Amt des Landesbischofs eingeführt. Dienstrechtlich trägt er den Titel des Landesbischofs jedoch erst ab 1. August 2022.

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