Ist das die Zukunft des Bahnverkehrs abseits der elektrifizierten Strecken? In Hechingen ist der erste Wasserstoffzug in Baden-Württemberg in den Regelbetrieb gestartet.
Seine Premierenfahrt am Montag auf den Zollernalbbahnen hat er erfolgreich absolviert – wenn auch mit ein wenig Verspätung. Der Zug Coradia iLint der Firma Alstom kam gut zehn Minuten später als im Fahrplan vorgesehen am Zielbahnhof Gammertingen im Landkreis Sigmaringen an, unter anderem weil er auf der eingleisigen Strecke auf einen entgegenkommenden Zug warten musste.
Verkehrsminister Winfried Hermann bezeichnete anlässlich der Premierenfahrt Wasserstoffzüge als «moderne Antwort auf Dieselloks». Dass die Bahnen, die nur Wasserdampf ausstoßen, ohne Abgase und leiser unterwegs seien, sei «ein Plus für die Anwohner».
Der Wasserstoffzug wird nach Angaben der Netzbetreiberin, der landeseigenen Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG, voraussichtlich bis Ende Februar fahrplanmäßig vor allem auf den Strecken zwischen Sigmaringen, Hechingen und Eyach unterwegs sein. Das Verkehrsministerium erhofft sich daraus Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit von Zügen mit Wasserstoffantrieb.
Ob der iLint auch dauerhaft auf den Zollernalbbahnen zum Einsatz kommen könnte, soll nach dem Probebetrieb entschieden werden. Ein externer Sachverständiger soll das Projekt dazu begleiten.
Auch Bayern will einen Wasserstoffzug fahren lassen – im Allgäu bis in zwei Jahren. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer unterzeichneten am Montag in München die Absichtserklärung für den Probebetrieb mit der Bayerischen Regiobahn. Gebaut werden soll der Zug von Siemens. «Wir wollen Bayern damit an der Spitze sehen», sagte Aiwanger. Hauptstrecke für den Testbetrieb soll die Verbindung Augsburg-Füssen werden. Reguläre Fahrten sollen im Januar 2024 beginnen. Davon unabhängig sollen ab 2024 auch in Ostbayern Wasserstoffzüge von Mühldorf nach Passau verkehren.
Zeitlich ist Bayern mit diesen Plänen nicht an der Spitze, denn im Rhein-Main-Gebiet soll noch in diesem Jahr der reguläre Betrieb mit 22 Wasserstoffzügen des französischen Siemens-Konkurrenten Alstom beginnen. Siemens-Manager Karl Blaim erklärte allerdings, der heimische Zug sei technologisch besser: «Ich denke nicht, dass notwendigerweise derjenige, der als erster losläuft, auch als erster durchs Ziel gehen wird.» Blaim zufolge geht es um Beschleunigung, Geschwindigkeit, Leistung, Reichweite, Ladezeit des Systems und die «Lebenszykluskosten» des Zuges. Der Probebetrieb wird von der Staatsregierung mit 4,3 Millionen Euro bezuschusst.
Die Staatsregierung beklagt jedenfalls keine Verspätung: «Wir sind schon äußerst schnell», sagte Verkehrsministerin Schreyer. «Schneller kann man gar nicht mehr werden.»
Wasserstoffzüge haben aus Sicht ihrer Befürworter zwei große Vorteile: Sie verursachen keine Abgase und brauchen keine teuren Oberleitungen. In Schwaben sind viele Bahnstrecken nicht elektrifiziert. Pro Runde von Augsburg nach Füssen und zurück spart der Wasserstoffzug nach Angaben Blaims 1,2 Tonnen CO2.
Text: dpa