Rund 300 Einsatzkräfte nahmen am Samstagvormittag an einer großen Katastrophenschutzübung im Landkreis Neu-Ulm teil. Als Übungsannahme wurde Senden von einem so heftigen Unwetter heimgesucht, dass das Landratsamt den Katastrophenfall ausgerufen hat.
Sendens Bürgermeisterin Claudia Schäfer-Rudolf zeigte sich unittelbar nach Übungsende beeindruckt, wie professionell den Sendener Bürgern geholfen wurde. Die bis zum Übungsbeginn geheimgehaltenen Einsatzstellen lockten dabei einige Zuschauer an und auch jugendliche Blaulichtfans standen mit Fotoapparaten und Videokameras an Straßenecken, um die Einsatzfahrzeuge abzulichten.
Rund ein Jahr Vorbereitungszeit lag hinter der Katastrophenschutzbehörde im Landratsamt, um alle Übungsszenarien aufeinander abzustimmen und umzusetzen. Diese Arbeit mündete in eine Vollübung, die in Bayern alls sechs Jahre gesetzlich vorgeschrieben ist.
Auch wenn für solch eine Vollübung Einsatzkräfte aus dem gesamten Landkreis notwendig sind, stellte Kreisbrandrat Bernhard Schmidt klar, dass in allen Gemeinden des Landkreis der Grundschutz weiterhin sichergestellt ist. Dazu waren weitere Feuerwehren in ihren Gerätehäusern einsatzbereit, um im Notfall sofort ausrücken zu können.
Gesammelt wurden die Einsatzfahrzeuge rings um das Inhofer-Zentrallager im Sendener Stadtteil Witzighausen, dort reicht der Platz aus, um am Rande des angenommenen Schadensgebietes sofort auf alle verfügbaren Kräfte zurückgreifen zu können.
Hier zeigte sich auch schon die erste Stolperfalle, die Realität störte den Plan. Die „Örtliche Einsatzleitung“ (ÖEL), eine Wagenburg aus den Einsatzleitfahrzeugen mitsamt ihrer Führungskräfte hatte dort keine ausreichenden Kommunikationsverbindungen und verlegte sich in den Sendener Süden, wo die Arbeitsmöglichkeiten optimal waren. Diese ÖEL ist schon unterhalb der Katastrophenlage regelmäßig bei Großeinsätzen tätig, so bereits am Samstagabend wieder bei einem Brand in einem Neu-Ulmer Industriebetrieb.
Übersteigt das Einsatzaufkommen und der Koordinierungsbedarf die Möglichkeiten der ÖEL, tritt die „Führungsgruppe Katastrophenschutz“ (FüGK) im Landratsamt zusammen und leitet den Einsatz. Der Landrätin obliegt die Entscheidung, den Katastrophenfall auszurufen, der auch zusätzliche Befugnisse nach sich zieht. Im vergangenen Jahr war das beim Hochwasser im Juni notwendig, davor war das außer während der Corona-Pandemie über zwanzig Jahre nicht notwendig. Doch Rüdiger Dolejsch, Geschäftsbereichsleiter Kommunales, Sicherheit und Ordnung im Landratsamt mahnte an: „Das kann schon nächste Woche sein“.
Der erste Großeinsatz führte die Helfer zum Waldbaggersee, dort hatte ein Sturm das Zeltlager einer Schule verwüstet, ein Großteil der gut 30 Schüler war verletzt. Durch umgestürzte Bäume gab es anfangs keinen direkten Zugang zu den Verletzten. Gerade als das erste Boot der Wasserwacht klargemacht werden sollte, kam es zu einem Störfall in der danebenliegenden Eislaufanlage. Eine Ammoniakwolke breitete sich aus und der Einsatz am Waldbagersee musste erst einmal abgebrochen werden.
Auch an der Eislaufanlage gab es Dutzende Betroffene, die aus dem Gelände evakuiert und medizinisch versorgt werden mussten. Das Leck, aus dem das Gas austritt, muss durch die Feuerwehr verschlossen werden, dabei hat die Menschenrettung Vorrang. Ein stundenlanger Einsatz stand so dem Gefahrgutzug des Landkreises bevor.
Um die Führungsgruppe herauszufordern, führte die angenommene Unwetterlage zusätzlich dazu, dass die Bahnstrecken rings um Senden blockiert sind und eine dreistellige Anzahl Fahrgäste am Bahnhof festsitzt. Hier muss die FüGK in Abstimmung mit der Bahn deren Fahrgäste wettergeschützt unterbringen, betreuen und verpflegen. Das Rote Kreuz hat dazu nicht nur Sanitätspersonal im Einsatz, sondern auch ausgebildete Notfallseelsorger, um Unverletzte und Leichtverletzte zu beruhigen und so psychische Dynamik aus dem Einsatzgeschehen zu nehmen.
Durch das Unwetter sind auch einige Keller im Stadtgebiet vollgelaufen, die ausgepumpt werden müssen. Dann bricht noch ein Brand im Webereigelände aus, fünf Arbeiter werden vermisst. Landrätin Eva Treu hat sich hier wie auch an anderen Einsatzstellen ein Bild der Lage gemacht, um dann als Führungsverantwortliche gemeinsam mit ihrem Stab die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Nach nur rund drei Stunden wurde die Übung für beendet erklärt und in einer Abschluss-Pressekonferenz stellte Treu fest: „Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen hat gut funktioniert“. Sowohl Treu wie auch Dolejsch merkten an, dass die Übung nun noch ausgewertet werden muss, um die Abläufe zu verbessern. Dazu waren auch dreizehn Übungsbeobachter eingesetzt, die an allen Einsatzstellen und im Arbeitsraum der FüGK mitgeschrieben haben, was ihnen aufgefallen ist, Positives und Negatives. Als Übungsbeobachter waren Führungskräfte, auch aus anderen Landkreisen, sowie von der Regierung von Schwaben eingesetzt, die über langjährige Einsatzerfahrung verfügen.
An den Einsatzstellen haben die ehrenamtlichen Helfer professionell ihre Aufträge abgearbeitet, doch schon am Samstag wurde auch Kritik laut. Dabei wurde auch gegenüber unserer Zeitung beispielsweise der Vorwurf erhoben, dass die Übung viel zu kurz war, um die Einsatzaufträge abzuarbeiten. Am Waldbaggersee wurden gar nicht alle Vermissten gefunden, bevor die FüGK die Übung für beendet erklärte und zum gemeinsamen Mittagessen rief. So wurden mögliche Erkenntnisse aus einer Vermisstensuche zu Lande und im Wasser verschenkt.
Andere Einsatzkräfte beklagten sich, dass sie sich auf Geheiß der Katastrophenschutzbehörde seit dem Morgen an ihren Standorten zur Übungsteilnahme bereitgehalten hatten, ohne überhaupt abgerufen zu werden. Hier wurde auch die Möglichkeit nicht genutzt, längere Strecken mit Blaulicht und Martinhorn zurückzulegen und so die Maschinisten der Einsatzfahrzeuge im praktischen Fahren unter Einsatzbedingungen üben zu lassen.
Florian Schaich, der Kreisbereitschaftsleiter des BRK, erinnerte in der Pressekonferenz daran, dass die Katastrophenschutz-Übung neben dem regulären Betrieb abgewickelt werden musste. Die Rettungsleitstelle hat sich in erster Linie um die realen Notfälle kümmern müssen. Zwölf Minuten ab der Annahme des Notrufs muss die Hilfe vor Ort sein. Am Samstag galt es dann für die Leitstelle in Krumbach neben dem Regelbetrieb auch noch die große Übung im Landkreis Neu-Ulm und eine ähnlich große Übung im Landkreis Günzburg abzuwickeln.
Unter Leitung der Katastrophenschutzbehörde im Landratsamt waren rund 300 Einsatzkräfte der Feuerwehr, des Bayerischen Roten Kreuzes, der Wasserwacht und des Technischen Hilfswerkes im Einsatz. 67 Mimen spielten Verletzte und unverletzte Betroffene, neben 15 Sicherungsposten waren 13 Übungsbeobachtern im Einsatz.