Mit viel Symbolik wird in Horb am Neckar nun der Opfer der Hexenverfolgung gedacht. Ein Mahnmal aus rostrotem Cortenstahl soll an Flammen des Scheiterhaufens erinnern. Drei daraus geformte Pfeile stehen für die Schwertspitze des Scharfrichters. Rund 25 000 Euro war der Stadt im Landkreis Freudenstadt die Gedenkstätte wert. Sie steht dort, «wo einst beim Horber Galgen die vermeintlichen Hexen öffentlich enthauptet und ihre Leichname weithin sichtbar auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden», wie die Stadt formuliert.
Die Zeit der Hexenverfolgung liegt Hunderte Jahre zurück. Doch immer mehr Städte arbeiten dieses dunkle Kapitel der Vergangenheit inzwischen auf. «Seit 2010 zeigt sich die Tendenz, dass das Thema in vielen Kommunen auf die Tagesordnung kommt», sagt Wolfgang Mährle vom Landesarchiv Baden-Württemberg. «Manchmal gibt es viele Diskussionen.» Oft brächten die Grünen in den Gemeinderäten Anträge dazu ein, sagt er. So war es beispielsweise auch in Rottweil, der ältesten Stadt Baden-Württembergs, wo es um eine Gedenktafel am Hochturm ging, um der ermordeten Hexen und Zauberer zu gedenken. Weil der Turm derzeit saniert wird, ist die Tafel noch nicht angebracht.
Wie viele Menschen im 16. und 17. Jahrhundert der Verfolgung zum Opfer fielen, lässt sich schwer sagen. Viele Quellen sind verloren gegangen oder noch nicht wieder aufgetaucht. Und Baden-Württemberg, wie es heute existiert, gab es damals nicht. «Der Südwesten war ganz fragmentiert», sagt Mährle. Horb etwa habe zu Schwäbisch-Österreich gehört. Der Historiker Sönke Lorenz verwies in einem Beitrag für das Buch «Wider alle Hexerei und Teufelswerk» zum Beispiel auf eine Zählung sicher belegbarer Fälle, die auf 3229 Hexenverbrennungen in Südwestdeutschland allein zwischen den Jahren 1561 und 1670 kommt.
Erst seit den 1970er Jahren werde die Zeit der Hexenverfolgung wissenschaftlich untersucht, sagt Mährle. «Inzwischen weiß man ganz gut Bescheid.» Viele Studien beziehen sich dabei auf Regionen wie die Grafschaft Wertheim und die badischen Markgrafschaften oder sogar nur auf einzelne Städte. Häufig machen sich dort auch Hobbyhistoriker die Arbeit und Mühe, die damaligen Ereignisse zu recherchieren.
Oft sei es die bäuerliche Bevölkerung gewesen, die die Hexenprozesse vorantrieb, sagt Mährle. Hingegen hätten manche Regierungen versucht, die Forderungen zu unterbinden. «Die Kurpfalz nimmt in der Geschichte der Hexenverfolgung einen besonderen Platz ein, weil dieses Territorium im wesentlichen an der großen abendländischen Hexenverfolgung nicht teilgenommen hat», schrieb Lorenz. Kurfürst und Oberrat hätten den neuen elaborierten Hexenbegriff nicht übernommen. «So konnte sich in der Kurpfalz die Tatbestandserweiterung von Zauberei zu Hexerei nicht durchsetzen, konnten Elemente wie Hexenflug und Hexensabbat nicht zu epidemischen Verfolgungen führen.»
Ganz anders sah es in Ellwangen aus: «Die absolute Zahl von rund 450 Prozessopfern wie auch die zeitweilige Intensität der Verfahrensführung liegen weit über derjenigen anderer Territorien», heißt es in Lorenz‘ Buchbeitrag. Gebrochen worden sei hier mit dem Hexenstereotyp der alten Frau. Es sei nur noch um Verwandtschaften und soziale Bindung zwischen den Opfern gegangen. «Dementsprechend wurden Personen nahezu jeden Alters, Geschlechts und Standes hingerichtet.» Ganze «Hexenfamilien» seien ausgerottet worden, so Lorenz. Die Folge war ein demografischer Einschnitt.
Auch aus Reutlingen und Esslingen beispielsweise sind Fälle von Hexenverfolgung bekannt, wie aus alten Unterlagen hervorgeht. Teils hätten die Verfolgungswellen mit Ratsneuwahlen zusammengehangen, manch Politiker habe Karriere mit Hilfe des Themas gemacht.
Mögliche Gründe für den Hass auf Hexen gab es mehrere: Lorenz nennt unter anderem einen radikalen Mentalitätswandel weg von Weltoffenheit und volkstümlicher Festfreudigkeit hin zu Dogmatismus und jenseitsorientiertem Denken, der sich unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit vollzogen habe. Eine Rolle spielten aber auch Klimaverschlechterungen. So habe es 1562 ein großes Unwetter gegeben, dass weite Teile Innerschwabens verwüstete und den Anstoß für eine ausgeprägte Hexenjagd gab, wie Lorenz erläuterte. «Der Oberpfarrer Thomas Naogeorgus erklärte von der Kanzel herab das Unwetter als Hexenwerk und verlangte die Bestrafung der Schuldigen.»
Unwetter nennt auch die Stadt Ellwangen als einen der Anklagepunkte. Andere waren etwa die Verleugnung Gottes und der Heiligen, Unzucht mit dem Teufel, Entfachung von Viehseuchen, Mischen von Giften und das Herstellen von Hexensalbe. Die Erinnerung an die Zeit der Hexenverfolgungen ist laut Stadtarchivar Christoph Remmele etwa in Form von Themenführungen im Schlossmuseum, Stadtführungen und Literatur präsent. «Auch an den hiesigen Schulen wird der Stoff regelmäßig im Zuge des Geschichtsunterrichts vermittelt.»
Ein Mahnmal im sogenannten Galgenwald in Ellwangen erinnert an die Opfer der Hexenprozesse. 1991 fand man dort sterbliche Überreste von acht Hingerichteten, nachdem die Fundamentreste des ehemaligen Galgens wieder sichtbar geworden waren – infolge des Sturms Wiebke.
(Text: Marco Krefting, dpa)