Impfskepsis und Impfablehnung: Die langfristige Entwicklung in Deutschland

Impfskepsis gab es schon vor der Coronapandemie. Ein Forschungsteam aus Konstanz und Berlin geht der Frage nach, wie sich Impfquoten und Impfskepsis in der Zeit vor der Pandemie entwickelt haben.

 

Impfskepsis und Impfgegnerschaft waren bereits vor der Coronapandemie ein vieldiskutiertes Thema. Claudia Diehl und Christian Hunkler sind der Entwicklung nun nachgegangen. Sie haben auf Grundlage der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) des Robert-Koch-Instituts (RKI) Impfverhalten und -einstellungen von Eltern analysiert, deren Kinder bis Anfang der Nullerjahre zur Welt gekommen sind, und mit denen von Eltern verglichen, deren Kinder bereits Ende der 1980er-Jahre geboren wurden. Dabei haben sie sich auf die Kinderimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) konzentriert. Als impfskeptisch werden solche Eltern bezeichnet, die Vorbehalte gegen die MMR-Impfung haben, sich also um Nebenwirkungen sorgen oder die entsprechenden Krankheiten für harmlos halten.

Impfskepsis hat abgenommen

Die Ergebnisse werden am 11. Februar 2022 in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht. Sie zeigen, dass die Impfquoten gestiegen sind, und dass über die Geburtskohorten hinweg der Anteil impfskeptischer Eltern abgenommen hat – von ca. 10% bei Kindern, die Ende der 1980er geboren wurden, auf gut 6% bei den um das Jahr 2000 Geborenen. Laut KiGGS-Daten gehören zur Gruppe der Impfskeptiker häufiger Personen mit mittlerer und hoher Bildung sowie in Großstädten lebende Personen und seltener Zugewanderte und Ostdeutsche.

Beim genaueren Blick in die Daten stieß das Autorenteam aber auch auf einen gegenläufigen Trend – und zwar bei der kleinen und schrumpfenden Gruppe der impfskeptischen Eltern. Deren Kinder sind immer seltener geimpft. Im entsprechenden Zeitraum sank bei dieser Gruppe der Anteil geimpfter Kinder von rund 50 auf gut 20 Prozent. „Die Gruppe der impfskeptischen Eltern ist offenbar kleiner, aber auch entschlossener geworden“, schlussfolgert Claudia Diehl, Autorin der Studie.

„Es liegt nahe, die leichtere Verfügbarkeit impfkritischer Desinformation im Internet für diese Entwicklung verantwortlich zu machen. Aber zu unserer Überraschung hat sich gezeigt: Der beschriebene Trend begann bereits vor der massenhaften Nutzung des Internets!“, sagt Koautor Christian Hunkler. Dies bedeute keineswegs, dass das Internet heute keine Rolle bei der Erklärung impfskeptischer Haltungen spiele, jedoch: „Der Trend, den wir beschreiben, endet in den späten 1990er-Jahren. Erst seit diesem Zeitpunkt nutzt aber überhaupt ein nennenswerter Teil der Bevölkerung das Internet.“
Obwohl die Daten keine Aussagen über die letzten beiden Jahrzehnte erlauben, lassen sich daraus wichtige Schlüsse für die aktuelle Situation ziehen, erklärt Claudia Diehl: „Bei der Masernimpfung hat sich gezeigt, dass schon eine kleine Gruppe von entschlossenen Impfskeptikern ausreicht, die Elimination stark ansteckender Viren trotz großer Anstrengungen zu verhindern.“

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