KZ-Überlebende Esther Bejarano mit 96 Jahren gestorben

Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano ist im Alter von 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben. Das bestätigte der Vorstand des Auschwitz Komitees. Esther Bejarano zog 1936 mit ihrer Familie nach Ulm. Sie begann im jüdischen Landschulheim Herrlingen Klavier zu lernen. Die Musik begleitete sie ihr ganzes Leben – und rettete sie: Sie spielte im Mädchenorchester von Auschwitz das Akkordeon. Sie überlebte Auschwitz auf diese Art. Auf einem Todesmarsch 1945 konnte sie fliehen. Zuletzt trat sie in Ulm mit der „Microphone Mafia“ auf – als Rapperin.

Esther Bejarano forderte immer wieder dazu auf, nicht zu schweigen, wo auch immer Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auftauche. Am 10. Juli 2021 ist die KZ-Überlebende mit 96 Jahren in ihrer Wahlheimat Hamburg gestorben.

Esther Bejarano wurde am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Esther Loewy geboren. Ihr Vater war der Oberkantor dort. 1926 zog die Familie nach Saarbrücken. Der Vater weckte Esthers Interesse für Musik – und sie lernte Klavierspielen. 1936 zog die Familie nach Ulm. Esther begann im jüdischen Landschulheim Herrlingen zu lernen. Als 15-Jährige musste sie sich von ihren Eltern trennen, um sich in der Nähe von Berlin auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Aber daraus wurde zunächst nichts.

Mädchenorchester von Auschwitz

1941 wurde sie ins Zwangsarbeitslager Neuendorf bei Fürstenwalde/Spree verbracht. Dort leistete sie zwei Jahre Zwangsarbeit in einer Fürstenwalder Gärtnerei. Am 20. April 1943 wurden alle Insassen des Arbeitslagers mit weiteren über 1000 jüdischen Menschen aus dem Berliner Sammellager in der Großen Hamburger Straße mit Viehwaggons nach Auschwitz deportiert. Hier musste sie in einem Arbeitskommando Steine schleppen, bis sie sich zu dem neu aufgestellten Mädchenorchester von Auschwitz meldete. Hier spielte sie Akkordeon. Das Orchester hatte die Aufgabe, zum täglichen Marsch der Arbeitskolonnen durch das Lagertor aufzuspielen. Sie überlebte Auschwitz auf diese Art und wurde ins KZ Ravensbrück verbracht. Auf einem Todesmarsch 1945 konnte sie fliehen.

Sie lebte danach einige Monate mit etwa 70 anderen KZ-Überlebenden auf dem Gehringshof bei Fulda, der von seinen Bewohnern „Kibbuz Buchenwald“ genannt wurde und wo sie sich auf die Auswanderung nach Israel vorbereiteten. Sie wanderte nach Palästina aus und kehrte 15 Jahre später nach Deutschland zurück. Gemeinsam mit Tochter Edna und Sohn Joram gründete sie Anfang der 1980er Jahre die Gruppe Coincidence mit Liedern aus dem Ghetto und jüdischen sowie antifaschistischen Liedern. Sie lebte bis zu ihrem Tod in ihrer Wahlheimat Hamburg.

Mitbegründerin des Auschwitzkomitees

Bejarano war Mitbegründerin und Vorsitzende des Auschwitzkomitees, Ehrenvorsitzende Der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) und Trägerin der Carl-von-Ossietzky-Medaille. Anlässlich ihres 70. Geburtstages wurde sie 1994 vom Senat der Freien Hansestadt Hamburg mit der Biermann-Ratjen-Medaille für ihre künstlerischen Verdienste um die Stadt Hamburg geehrt.

Im Oktober 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz I. Klasse geehrt. In der Begründung heißt es „Viele ihrer Familienangehörigen wurden von den National-Sozialisten ermordet. Sie überlebte, weil sie im KZ Auschwitz Aufnahme in das Mädchenorchester fand und später im Frauen-KZ Ravensbrück Zwangsarbeit Leistete. Es ist ihr ein wichtiges Anliegen, besonders junge Menschen über den Nazi-Terror und den Rechtsextremismus aufzuklären.“

Antifaschistisches Engagement

Im Juni 2009 wurde das gemeinsame Album Per La Vita (Für das Leben) von Esther, Edna sowie Joram Bejarano und Microphone Mafia veröffentlicht. Die Tochter Edna Bejarano war zu Anfang der 1970er Jahre Sängerin der deutschen Rockgruppe The Rattles. 2010 wurde Esther Bejarano für ihr antifaschistisches Engagement mit der Herbert-Wehner-Medaille der Gewerkschaft ver.di Hamburg ausgezeichnet. Anlässlich des Internationalen Frauentags 2012 verlieh ihr die Partei Die Linke den Clara-Zetkin-Frauenpreis für ihr Lebenswerk. Am 26. April 2012 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz. 2013 wurde sie von der Stiftung Ethik & Ökonomie mit dem Blue Planet Award ausgezeichnet. 2014 erhielt sie den Giesberts-Lewin-Preis der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und wurde zur Ehrenbürgerin der Stadt Saarlouis anlässlich ihres 90. Geburtstages.

Es folgten 2016 der Preis für Solidarität und Menschenwürde des BüSGM und 2019 die Ehrendenkmünze in Gold, verliehen vom Hamburger Senat. Im Jahr 2020 wurde die Gemeinschaftsschule in Wiesloch nach Esther Bejarano benannt und sie erhielt den Hermann-Maas-Preis für ihren Einsatz gegen Rassismus und Ausgrenzung sowie ihr politisches Engagement.

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