Anti-israelische Proteste, Beleidigungen und zum Teil auch körperliche Übergriffe. Was sich seit anderthalb Jahren vor der Martinskirche in Langenau abspielt, geht weit über die Meinungsfreiheit hinaus. Pfarrer Ralf Sedlak hatte Mitte Oktober 2023 in einer Predigt den Terroranschlag der Hamas vom 07. Oktober verurteilt und seine Solidarität mit den Opfern des Massakers ausgedrückt. Seitdem ist er, seine Familie und die Kirchengemeinde immer wieder Anfeindungen ausgesetzt. In regelmäßigen Abständen fanden und finden vor der Martinskirche zu den Sonntags-Gottesdiensten Protest-Aktionen statt. Die Polizei ist dabei gefordert und mit entsprechenden Kräften vor Ort. Zwischenzeitlich erging eine Allgemein-Verfügung.
In Langenau fand am Montag dazu ein großes Fachgespräch statt. Unter den Teilnehmenden waren neben Pfarrer Sedlak weitere Betroffene der Evangelischen Kirchengemeinde Langenau, der Kantor der Jüdischen Gemeinde Mannheim, jüdische Studierende aus Baden und Württemberg, Vertreter der Evangelischen Landeskirche, der Beauftragte der Landesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, der Polizeipräsident des Polizeipräsidiums Ulm sowie Landtagsabgeordnete aus den Regionen. Sie alle tauschten sich aus und beleuchteten die Perspektiven jüdischer und nicht-jüdischer Betroffener.
Pfarrer Sedlak wünscht sich vor allem eins: dass wieder Normalität einzieht. Seine Gemeinde spürt weit über die Grenzen hinaus große Solidarität. Er erhält nach eigenen Angaben sehr viele Zuschriften, die ihn und sein Team bestärkten. Das freue ihn und motiviere, weiterzumachen. Er hätte sich gewünscht, dass die Allgemeinverfügung, die die Stadt inzwischen erlassen hat, früher gekommen wäre. Das hätte möglicherweise die Sache nicht so sehr eskalieren lassen. Vergangenen Sonntag jedenfalls gab es keine Protestaktion vor der Kirche, die Lage war ruhig.
Antisemitismus macht auch vor den Hochschulen im Land nicht Halt. Die Ausprägung ist jedoch von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich. An großen Universitäten mit mehr geisteswissenschaftlichen Studiengängen ist der Protest größer als an kleineren Unis oder Hochschulen mit eher naturwissenschaftlicher Ausrichtung. Insgesamt erleben jüdische Studierende in Baden-Württemberg eine wachsende feindselige Atmosphäre an ihren Hochschulen. Sie fordern, dass Hochschul-Gruppen, die gegen die Hochschul-Ordnung verstoßen oder antisemitische Hetze verbreiten, ihre Status verlieren.