Pflegenotstand: Hilferuf aus den Kliniken!

Letztes Jahr ist für sie applaudiert worden. Die Probleme haben sich aber nicht geändert: Pflegerinnen und Pfleger sind am Anschlag. Um darauf aufmerksam zu machen ist gestern Nachmittag (04.02.2021) auf der Ulmer Hirschstraße gegen den Pflegenotstand demonstriert worden.

Jana Langer, Personalrätin an der Uniklinik Ulm und OP-Schwester hat die Faxen dicke. Sie protestiert seit über 10 Jahren um auf den Notstand in der Pflege aufmerksam zu machen, hat auch schon bundesweit mit einem Brandbrief an Kanzlerin Merkel für Aufsehen gesorgt. Wir haben mit ihr gesprochen.

DONAU 3 FM: Frau Langer, hat sich an der schwierigen Situation in ihrer Branche allgemein denn mittlerweile etwas gebessert?

Jana Langer: Nein, dass hat sich total verschärft. Vor allem die Personaluntergrenzen ist eine Sache, die dazu geführt hat, dass Personal verschoben wurde, weil „zu viel“ Personal da war. Vorgegeben ist nämlich der Durchschnitt von den schlecht besetzten Kliniken. Somit sind an der Uniklinik andere Personalschlüssel dagewesen, und die hat man zum Teil auch verschlechtert.

DONAU 3 FM: Mittlerweile gibt es also noch weniger Pfleger*innen pro Patient*in, bzw. Bewohner*in?

Jana Langer: Als ich mit meiner Ausbildung fertig war, hatte ich maximal 6-8 Patienten zu betreuen und jetzt sind es im Durchschnitt 13 und mehr. Und in den Pflegeheimen ist es ja noch höher.

DONAU 3 FM: Jetzt gibt es z.B. in Altenheimen Schnelltests, die macht auch das Stammpersonal?

Jana Langer: Die sind zu Verfügung ohne personelle Ressource gestellt worden, das heißt, das müssen die Pflegekräfte machen, die dort arbeiten. Die Zeit geht dann bei den Bewohnern verloren. Und das weiß die Bevölkerung nicht. 

DONAU 3 FM: Sind denn die Maßnahmen der Regierung mit den Kliniken und Heimen abgestimmt?

Jana Langer: Die Kliniken und Heime müssen immer irgend etwas umsetzen, ohne personelle Ressourcen, so dass die Bevölkerung auch mal sagt, da muss man mithelfen, dass kann man alleine nicht leisten. Zusatzarbeit muss Zusatzpersonal und Zusatzgeld bedeuten. Und das sind auch die Sorgen der Kliniken, denn das Zusatzgeld kommt ja nirgends her.

DONAU 3 FM: Wie sieht’s denn aus mit der Corona-Prämie vom Bundesgesundheitsminister?

Jana Langer: Die Corona Prämie hat für mehr Unmut gesorgt als alles andere, weil sie so ungerecht verteilt wurde. Das ging aber auch gar nicht anders, weil so wenig Geld zu Verfügung gestellt wurde. 

DONAU 3 FM: Bundesgesundheitsminister Spahn hat auch mehr Personal gefordert. Was ist an der Stelle passiert?

Jana Langer: Er möchte nicht mehr Fachkräfte, sondern mehr Hilfskräfte. Das ist auch ein Grundproblem, dass unser Beruf dadurch immer mehr aufgesplittet wird, in Kleinsttätigkeiten. Da fühlt man sich so ein bisschen, wie ein Puzzlespieler. Die Fachkraft muss die einzelnen Teile wieder zusammen setzten. Das ist auch problematisch, denn: je mehr Schnittstellen, desto mehr Fehler.

DONAU 3 FM: Die im letzten Jahr viel diskutierte Überbelastung in Pflegeheimen und an Kliniken, hat sie denn abgenommen?

Jana Langer: Auch die Leute, die ausgebildet sind und schon seit Jahren ihren Kopf hinhalten sind das letzte Jahr überbelastet worden. Wir hatten nicht eine einizige Ruhephase oder die Möglichkeit die Überstunden abzubauen. Man kann sich mental nicht mehr erholen, die Leute fühlen sich nicht mehr verstanden von der Bevölkerung, da dieses anfängliche Klatschen jetzt auch gänzlich fehlt.

DONAU 3 FM: Wie sieht es da an der Uniklinik Ulm aus?

Jana Langer: Den Fachkräftemangel bekommen natürlich auch wir zu spüren. Wir hatten jetzt schon über eine recht lange Zeit sehr schwere Fälle, wir haben aufgenommen, auch Patienten aus dem Ausland, um da zu helfen. Das geht nicht unbeschadet an den Leuten vorbei. Ich habe die Panik für mich entwickelt, jetzt bald in die dritte Welle zu rutschen. 

DONAU 3 FM: Jetzt gab es auch eine Ausbildungsoffensive, was ist damit?

Jana Langer: Das Problem ist, dass die Ausbildungsbedingungen so katastrophal sind, vor allem durch Corona sind die Schüler noch mehr Lückenbüßer. Die Ausbildung direkt kann nicht stattfinden, das muss man ganz klar sagen. Die Schüler werden hin- und hergeschoben, wie man es gerade braucht. Da ist auf der einen Seite natürlich notwendig bestimmte Kompetenzen zusammen zu legen, das macht die Ausbildung jedoch unmöglich.

DONAU 3 FM: Wie soll es denn weitergehen, was ist Stand der Dinge aus Ihrer Sicht?

Jana Langer: Ich sehe so viel Unvernunft um mich herum, dass ich da Angst habe. Ich hab auch Angst um meine Kollegen, weil die einfach nicht mehr können - und das ist nicht Uniklinik-Ulm-spezifisch, sondern in allen Regionen so, in denen die Fallzahlen so hoch waren. 

DONAU 3 FM: Vielen Dank, Frau Langer.

 

Das könnte Dich auch interessieren

29.09.2023 Weniger Arbeitslose in Baden-Württemberg und Bayern im September Die Arbeitsmarktdaten für den September sind da. Auch wenn es weniger Arbeitslose gab, gibt es auch schlechte Zahlen. Alle Infos aus der Region gibts hier: 14.08.2023 Feiertag für Neu-Ulm: Ulmer müssen arbeiten Feiertag gilt nur für Neu-Ulm, warum? Der 15. August wird von den Katholiken als Mariä Himmelfahrt gefeiert. Demnach soll die Mutter Jesu an diesem Tag in den Himmel aufgenommen worden sein. Nicht in allen Teilen Bayerns gilt dieser Tag als gesetzlicher Feiertag. Wer zu Hause bleiben darf, hängt davon ab wie viele Katholiken in der 07.08.2023 Matzes Plattenküche ist wieder da! Es dauert nicht mehr lange: Im September geht "Matzes Plattenküche" wieder auf Sendung und natürlich ist auch der Namensgeber, Matze Ihring, am Start. 28.06.2023 Protest mal anders: Pflegekräfte der Uniklinik Ulm verteilen Aktionssteine Die Pflege ist immer noch am Boden: Beim offenen Betriebsgruppentreffen der Uniklinik Ulm werden Steine mit Forderungen beschriftet und dann verteilt.