Prozess um versuchten Mord - Angeklagter: Wollte nicht töten

Es geht um vierfachen versuchten Mord

In einer Tiefgarage zündet ein Mann laut Anklage erst zwei Autos an, geht dann zur Wohnung der getrennt von ihm lebenden Ehefrau und gießt Benzin hinein. In der Wohnung sind außer ihr noch ihr Partner und zwei Kinder im Alter von 15 und 18 Jahren. Nun steht er vor Gericht.

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer, die am Freitagmorgen vor dem Ulmer Landgericht vorgetragen wurden. Der 44-jährige Alex G. soll nach den Ermittlungen Anfang April mehrere Brände gelegt haben und wollte dadurch seine Ex-Partnerin, ihren neuen Partner und die beiden Söhne des neuen Paares zu töten.

Vier Tatkomplexe trug Oberstaatsanwältin Claudia Nemetz vor. Mit 1,6 Promille soll der Angeklagte mit dem Auto zum ehemals gemeinsamen Wohnhaus gefahren sein, dann setzte er die Autos seiner Frau und ihres neuen Partners in der Tiefgarage mit mitgebrachtem Benzin in Brand. Anschließend ging er mit dem noch halbvollen Benzinkanister und einem Stein bewaffnet zum Wohnhaus, schlug das Wohnzimmerfenster ein und schüttete zwei Liter Benzin hinein, das er mit einem Feuerzeug anzünden wollte. In einem Gerangel konnte der neue Partner das durch das zerschlagene Fenster hindurch verhindern. Als die alarmierte Polizei eintraf, lies sich der Angeklagte zu Boden sinken. Dort griff er nach einer Glasscherbe, kratzte sich damit erst über seinen eigenen Unterarm, um danach mit der Glasscherbe nach einer Polizistin zu stoßen. Ein anderer Polizist reagierte blitzschnell, schob seine Kollegin weg und setzte Pfefferspray ein. Mit einer schweren Rauchgasvergiftung kam der Mann dann ins Krankenhaus, von dort ging es weiter ins Justizkrankenhaus und später in Untersuchungshaft.

Die lange Auflistung von Straftaten lässt den Angeklagten nicht unbeeindruckt, er bläst gelegentlich die Backen auf oder blickt leer auf seine Notizen, die vor ihm liegen. Es geht um Trunkenheit im Verkehr, gefährliche Körperverletzung und schwere Brandstiftung, die Staatsanwältin wirft dem 44-Jährigen vor, er habe „vier Menschen versucht grausam zu töten“.

Verteidiger Mihael Milosevic las daraufhin eine längere „geschlossene Erklärung“ des Angeklagten vor, in der räumte er „die Anklagepunkte vollumfänglich ein“. Doch geplant sei es nicht gewesen, das Haus anzuzünden. Diese geschlossene Erklärung dient in Strafverfahren dazu, Angaben zu machen, doch keine Nachfragen zum Tatgeschehen durch den Richter zuzulassen. Daher musste sich der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter zunächst auf die Vorgeschichte beschränken.

Der 44-Jährige wurde in Kasachstan geboren, machte dort einen Realschulabschluss und eine Ausbildung zum Bauschreiner. Seine Großeltern kamen nach dem zweiten Weltkrieg nach Kasachstan, kehrten dann aber in den 1990er Jahren nach Deutschland zurück. 2001 kamen Alex G. und seine Eltern ebenfalls nach Deutschland, im Jahr 2004 dann nach Ulm. Nach einer Phase mit Zeitarbeit begann er 2006 in einer Ulmer Firma zu arbeiten, in der er noch heute angestellt ist. 2007 heiratete er eine heute 36-Jährige, die Mutter seiner Frau und seine Mutter kannten sich bereits von klein auf. Kurz darauf wurde der gemeinsame Sohn geboren. 2015 wurde dann gemeinsam das Reihenhaus am Eselsberg gekauft, die Tilgung war dann Aufgabe des Mannes, da die Ehefrau sich um das Kind kümmerte. Um die rund 1 000 Euro monatlich aufzubringen, wechselte er in den Drei-Schicht-Betrieb und suchte sich zusätzlich für das Wochenende einen Nebenjob. Renoviert wurde das Haus nebenher und daran entzündete sich immer wieder Streit. Die Ehefrau legte viel Wert auf Sauberkeit, er bevorzugte das effektive Renovieren ohne jeden Tag die Baustelle zu säubern. Auch die nahezu täglichen Besuche durch die Schwiegermutter sorgten für weiteren Streit.

Als Signal, um gehört zu werden, bezeichnete Alex G. seinen Selbstmordversuch im Jahr 2019. Als die Renovierung im Jahr 2022 abgeschlossen war, bekam der Angeklagte zufällig heraus, dass ihn seine Ehefrau mit einem guten Freund der Familie betrügt. Enttäuscht zog der Angeklagte aus und der 51-Jährige zog zusammen mit seinem Sohn ein.

Als der Angeklagte die Scheibe des Wohnzimmers eingeschlagen hatte, entwickelte sich ein blutiger Kampf zwischen den beiden Männern. Gleichzeitig quoll dichter schwarzer Rauch aus der Tiefgarage und zog kilometerweit sichtbar über den Eselsberg. Die Feuerwehr begann einen Großeinsatz, doch der Brand war so heftig, dass laut Staatsanwaltschaft die Tiefgarage einsturzgefährdet war, mehrere Autos, auch von Unbeteiligten, brannten aus.

Zur Beweisaufnahme werden zahlreiche Tatort-Fotos gezeigt, auch ein Handyvideo des Kampfes der beiden Männer, was den Angeklagten deutlich sichtbar mitnimmt. Er schaut nur noch kurz auf, schließt immer wieder die Augen.

Es sind noch fünf weitere Verhandlungstermin angesetzt, ein Urteil soll in der zweiten Novemberhälfte fallen. Bis dahin werden 17 Zeugen und ein Sachverständiger gehört.

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