Strobl zeigt sich gelassen: «Ermittlungen völlig in Ordnung»

Affäre um Innenminister Strobl

Erst stellt die FDP Strafanzeige gegen den Innenminister, dann schaltet die SPD den obersten Datenschützer ein. Die Opposition will Strobl in der Affäre um ein durchgestochenes Anwaltschreiben weiter in die Enge treiben. Die CDU versucht Ruhe zu bewahren.

Die Opposition in Baden-Württemberg erhöht in der Affäre um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens an die Presse den Druck auf Innenminister Thomas Strobl. SPD und FDP dringen darauf, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart ihre Ermittlungen gegen den CDU-Politiker ausweitet. Die FDP-Fraktion stellte Strafanzeige wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen. Die SPD forderte zudem den obersten Datenschützer im Südwesten auf, das Gebaren des Ministers zu prüfen. Wie die FDP verlangte die SPD von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), seinen Minister und Vize zu entlassen. Indes weitete die Anklagebehörde ihre Ermittlungen auf einen Mitarbeiter des Innenministeriums aus. Strobl zeigte sich am Wochenende trotz allem gelassen. Aus der CDU gab es Rückendeckung für den Landeschef.

FDP vermutet weitere «strafbare Handlungen»

Die FDP sieht mehrere Straftatbestände, denen die Anklagebehörde nachgehen müsse. Sie hält dem Minister vor, frühere Vorermittlungen in der Sache unterbunden zu haben. Damit stehe der Verdacht der Strafvereitelung im Amt im Raum. Es müsse beleuchtet werden, ob das Ministerium auf die damalige Anfrage der Staatsanwaltschaft, gegen Unbekannt ermitteln zu dürfen, nicht hätte zustimmen müssen. «Stattdessen hat man verschleiert, dass man genau wusste, dass der Minister selbst das Schreiben weitergegeben hat», sagte Julia Goll, Innenexpertin der FDP der dpa. Darüber hinaus habe Strobl gegen den Datenschutz verstoßen, als er das Schreiben des Anwalts eines ranghohen Polizisten an die Presse durchstach.

Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke äußerte sich am Sonntag und begrüßte die Ausweitung der Ermittlungen. Es werde immer deutlicher, dass mit Strobl im Innenministerium eine Kultur des Rechtsbruchs Einzug gehalten habe. «Wie lange will Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich das noch anschauen?», sagte er.

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch bat den Datenschutzbeauftragten Stefan Brink, sich einzuschalten. «Das Schreiben des Anwalts erfolgte im Rahmen eines Disziplinarverfahrens.» Damit habe er nicht nur seine Fürsorgepflicht gegenüber dem Beamten verletzt, sondern sich auch über den Datenschutz hinweggesetzt, erklärte Stoch. Brink erklärte sich bereit zu einer Prüfung, sieht aber auch Hürden. Durch die Tätigkeit dürften «andere staatliche Stellen nicht an der Erfüllung ihrer Aufgaben gehindert werden», sagte sein Sprecher.

Strobl zeigt sich gelassen: «Ermittlungen völlig in Ordnung»

Der Innenminister versuchte am Wochenende Ruhe auszustrahlen. Am Samstag sagte der 62-jährige CDU-Landeschef, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn seien «völlig in Ordnung». Das sei der Rechtsstaat, für den er lebe und arbeite, erklärte Strobl in einer Videobotschaft für den Bezirksparteitag der CDU Nordwürttemberg in Waiblingen.

Am Sonntag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen auf einen Mitarbeiter des Ressorts erweitert hat. «Minister Strobl hatte bereits erklärt, dass er dem Journalisten den Brief zugesagt und die Übersendung durch einen Mitarbeiter veranlasst hat. Gegen diesen Mitarbeiter des Innenministeriums wird inzwischen von der Staatsanwaltschaft ebenfalls ermittelt», sagte ein Sprecher des Ressorts der dpa.

Seit Mittwoch ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Journalisten und den Minister wegen der Veröffentlichung des Schreibens. Der Reporter wird verdächtigt, aus amtlichen Dokumenten des laufenden Verfahrens gegen den Polizisten zitiert zu haben. Strobl wiederum soll ihn dazu angestiftet haben. Am Freitagabend durchsuchte die Anklagebehörde das Ministerium und stellte Unterlagen sicher.

CDU schließt die Reihen um Strobl: «Sehr guter Innenminister»

Aus der CDU gab es Solidaritätsbekundungen für Strobl. Der Vize-Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Steffen Bilger, sagte am Rande des Bezirksparteitags in Waiblingen: «Er ist unsere Nummer Eins in der Landesregierung. Er ist ein sehr guter Innenminister.» Bilger kritisierte die Rücktrittsforderung der Opposition im Landtag. «Das nutzt sich irgendwann einmal ab.» Aus Sicht von CDU-Generalsekretärin Isabell Huber ist Strobl ein «klasse Innenminister», mit dem man weitermachen wolle.

Worum sich die Affäre eigentlich dreht

Im Zentrum der Affäre stehen eigentlich Ermittlungen gegen einen führenden Polizisten wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung. Der Mann soll einer Hauptkommissarin in einem Videochat angeboten haben, ihr bei der Karriere zu helfen, wenn sie ihm sexuell zu Diensten sei. Strobl hatte am Mittwoch eingeräumt, das Schreiben im Dezember weitergegeben zu haben. Darin hatte der Anwalt des suspendierten Beamten dem Ministerium ein persönliches Gespräch angeboten, das für beide Seiten besser sei als ein juristisches Verfahren. Strobl erklärte nun, dies sei ein «vergiftetes Angebot» gewesen. Er habe für «maximale Transparenz» sorgen und verhindern wollen, dass die andere Seite das Schreiben lanciert.

SPD will Strobl Zuständigkeit für Disziplinarverfahren entziehen

SPD-Chef Stoch forderte, dem Innenministerium die Zuständigkeit für das Disziplinarverfahren gegen den hochrangigen Polizisten zu entziehen. Das Verfahren müsse das Staatsministerium übernehmen, sagte Stoch der dpa. Zudem müsse die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermächtigt werden, auch wegen des Vorwurfs der Verletzung des Dienstgeheimnisses gegen Strobl zu ermitteln.

CDU versucht Ruhe zu bewahren

Ex-Ministerpräsident Günther Oettinger empfahl der eigenen Partei Geduld. Der 68-jährige CDU-Mann sagte in Waiblingen: «Es ist kein komplexer Wirtschaftsfall.» Er erwarte – ohne Drängeln zu wollen – in vier bis sechs Wochen ein Ergebnis der Ermittlungen. Er verwies zugleich darauf, dass Kretschmann sowie die Fraktionschefs von Grünen und CDU dem Minister den Rücken gestärkt hätten.

Auf das Thema Strobl wollten die Delegierten des Bezirksparteitags am liebsten nicht angesprochen werden. «Kein Kommentar», sagte Nicole Razavi, Wohnungsbauministerin. Der für Migration zuständige Staatssekretär im Justizministerium, Siegfried Lorek, gab sich ebenfalls wortkarg. Er habe mit dem Thema Migration genügend zu tun, sagte er. Mehrere einfache Delegierte forderten eine rasche Aufklärung der Vorwürfe. Es müsse schnell Klarheit herrschen, was Sache sei, sagte ein Delegierter, der seinen Namen nicht nennen wollte. Die Rücktrittsforderung sei überzogen.

(Text: Henning Otte und Oliver Schmale, dpa/lsw)

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