Die Anwohner des unteren Eselsberg in Ulm hören es in den Nächten überdeutlich, dass das Zerlegen der Beringerbrücke diese Woche große Fortschritte macht. Ein rund 70 Meter langes Teilstück der 300 Meter langen Brücke, die quer über dem Ulmer Rangierbahnhof verläuft, wird Stück für Stück entfernt.
Die Vorarbeiten der vergangenen Wochen und das Ausheben eines Mittelstückes der Brücke sind erledigt, der Nordteil der Brücke wurde Anfang der Woche seiner Asphalt-Fahrbahn und der Gehwege beraubt und auch sonst um viele Teile erleichtert. Das Nordteil besteht nun nur noch aus dem reinen Stahlskelett und einigen Blechen, so wiegt er nur noch rund 100 Tonnen statt ehemals etwa 250 Tonnen. Die Bahnlinie Ulm-Blaustein musste gesperrt werden, Holzbohlen und Stahlplatten überdecken die Gleise, die Fahrleitung ist rund um die Brücke abmontiert worden. Ein Kampfmittel-Sondierer hat die Fundamente der Brückenlager und der Brückenpfeiler untersucht, ob dort noch Bomben-Blindgänger versteckt sind.
Am Freitagmorgen war auch Ulms Baubürgermeister Tim von Winning vor Ort, um zu sehen, wie die Abrissarbeiten ablaufen: „Bei so einer Maßnahme merkt man dann, dass der Aufbau einer Brücke eine große Ingenieurleistung ist, aber eben auch der Abbau eine fast ebenso große Ingenieurleistung ist“. Dazu kommt der Rangierbahnhof, auf dessen Betrieb genauso Rücksicht genommen werden muss wie auf die vielen Versorgungsleitungen, die im Erdreich verlegt sind. Vergangenen Sommer wurde bereits die Fernwärmeleitung, die an der Beringerbrücke befestigt war, auf ein neues Traggerüst daneben umgelegt.
Die größte Schwierigkeit ist für von Winning jedoch der Zeitdruck, denn während der Bauarbeiten muss der Bahnbetrieb komplett eingestellt werden. Daher können die Abrissarbeiten nicht nur tagsüber stattfinden, sondern es muss rund um die Uhr gearbeitet werden und es entsteht dabei Lärm: „Es war eine ganz große Beanspruchung der Nachbarschaft“ so von Winning.
Unter den interessierten Augen des Baubürgermeisters und weiterer Fachleute wurde die Brücke von den „Brückenkillern“ einige Meter auf die Straße „Am Bleicher Hag“ geschoben. Die Raupenfahrzeuge haben das komplette Brückenteil angehoben und quer über die Gleise befahren. Oben an der Straße haben zwei große Bagger mit Ketten gleichzeitig gezogen und die Richtung des Vorschubes gesteuert. Fast schon mit Schrittgeschwindigkeit und unter großen Knirschen der Strahlträger gelang der Vorschub mit einer optischen Leichtigkeit der großen Maschinen. Firmenchef Stephan Plannerer stand dabei die Anspannung ins Gesicht geschrieben und er gab über Funk Anweisungen an die Bediener der Brückenkiller und die Baggerführer, damit der Vorschub geleichmäßig gelingt und die Brücken nicht in Schräglage gerät.
Nach rund fünfzehn Minuten konnte die Zerlegung oben auf der Straße fortgesetzt werden. Mit Schweißbrennern wird das seitliche Fachwerk abgetrennt, gleichzeitig zerschneidet ein Bagger mit einer mannsgroßen hydraulischen Schere die Strahlträger der Fahrbahn. Ein weiterer Bagger greift die Einzelteile und sortiert sie in Container. Bis zum Montag ist der gesamte 70 Meter lange Brückenteil zerlegt und in Schrottcontainern abtransportiert worden. Dann ist auch die Vollsperrung der Straße „Am Bleicher Hag“ beendet und für die Restarbeiten kann der Verkehr abwechselnd an der Baustelle vorbeifließen.
Für einen möglichen Nachfolger der Beringerbrücke sieht Baubürgermeister von Winning die Frage, an welcher Stelle es Sinn macht, eine neue Verbindung zu bauen. An der bisherigen Stelle rechnet er mit Baukosten von rund 15 Millionen Euro. Der Baubürgermeister „Muss es an der breitesten Stelle der Bahn sein?“ Auch die Start- und Endpunkte sind für ihn wichtig: „Ein Weg ist ja nicht nur an sich da, sondern er verbindet Orte“. Im Lauf des Jahres sollen dazu weitere Planungen zu einem idealen Standort geführt werden.
Text/Foto: Thomas Heckmann