Ulm - Todkranke stirbt: Pflegerin vor Gericht

Heikler Prozess

Am Landgericht Ulm hat der Prozess gegen eine Pflegerin begonnen. Die 54-jährige Senada D. soll für den Tod einer 77-jährigen Frau verantwortlich sein.

Die Pflegerin soll das Beatmungsgerät der schwerkranken Patientin in einer April-Nacht abgeschaltet haben. Die Anklage lautet zunächst auf fahrlässige Tötung. Doch der Richter prüft auch den Vorwurf des Totschlags.

Todkranke Patientin

Die 77-jährige Frau aus Langenau litt an ALS, eine unheilbare Erkrankung des Nervensystems. Sie führt zu fortschreitender Muskellähmung. Die Patientin war deshalb auf eine künstliche Beatmung angewiesen. Sie hatte panische Angst, ohne das Gerät zu ersticken. Ihr Leben hing von der Maschine ab.

In der Nacht zum 24. April 2025 geschah die Tragödie. Die Pflegerin schaltete das Beatmungsgerät auf Standby. Sie sollte vom Nebenzimmer aus regelmäßig nach der Patientin sehen. Stattdessen schlief sie laut Anklage ein. Die 77-Jährige verstarb in dieser Nacht. Ein technischer Defekt am Gerät wurde ausgeschlossen.

Tränen und ein erschütternder Notruf

Ein zentraler Moment des Prozesses war am Montag das Abspielen des Notrufs. Die Tochter der Verstorbenen verließ zuvor den Saal. Die Angeklagte brach während dem Anhören des Audio-Beweises in Tränen aus. Man hörte die völlig aufgelöste Pflegerin am Telefon. Der Disponent der Rettungsleitstelle versuchte, sie zur Herzdruckmassage anzuleiten. Statt im vorgegebenen Takt zu drücken, drückte die Pflegerin arrhythmisch und rief dabei immer wieder: „eins, zwei, drei – liebe Martha“.

Der Vorsitzende Richter Wolfgang Tresenreiter sprach von einem „nicht ganz gewöhnlichen Verfahrensverlauf“. Ursprünglich startete der Prozess am Amtsgericht. Doch die Richterin dort sah Zweifel an der Fahrlässigkeit. Sie übergab den Fall an das Landgericht. Nun wird geprüft, ob die Tat als Totschlag zu werten ist. Die Angeklagte machte zum Prozessauftakt keine Angaben.

Verstorbene wohl auf dem Weg der Besserung

Die Tochter der Verstorbenen tritt nicht nur als Zeugin, sondern auch als Nebenklägerin auf. Sie schilderte die letzten Monate ihrer Mutter. Diese war geistig vollkommen fit. Nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus im Januar blühte sie auf. Sie konnte wieder selbstständig im E-Rollstuhl fahren. „Ihr Leben war wieder lebenswerter“, sagte die Tochter. Sie begann sogar, per Augencomputer WhatsApp-Nachrichten zu schreiben.

Wenige Tage vor ihrem Tod gab es einen weiteren Hoffnungsschimmer. Die Angeklagte hatte einen Entwöhnungsversuch von der Beatmung gestartet. Dieser war für einige Stunden erfolgreich. Mutter und Tochter waren darüber hocherfreut. Die Pflegedienstleitung wusste davon jedoch nichts. Sie hatte bereits eine Abmahnung für die Pflegerin vorbereitet. Dieser Versuch geschah ohne ärztliche Anweisung und war daher streng verboten.

Ob in der Nacht ein weiterer unangekündigter Entwöhnungsversuch von der externen Beatmung gestartet wurde oder ob es andere Gründe für das Abschalten des Gerätes gab, muss nun das Gericht herausfinden. Der Prozess ist auf sechs Verhandlungstage angesetzt. Neun Zeugen sollen gehört werden. Ein Urteil wird möglicherweise am 19. Januar 2026 fallen.

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