Über vier Jahre war der Mann schon im Schlachthof beschäftigt und kontrollierte Schweinehälften vor der Schlacht auf ihre Qualität. Nicht nur er selbst war der Überzeugung, dass er gute Arbeit leistet. Auch vor Gericht die befragten Arbeitskollegen bescheinigt ihm eine ordentliche Arbeit. Doch im zwischenmenschlichen Bereich scheint es nicht ganz so zwischen dem staatenlosen Mann mit syrischen Wurzeln und seinen deutschen Arbeitskollegen harmoniert zu haben.
Die raue Arbeit im Schlachthof hat wohl auch zu eher raueren Schmerzen unter den Kollegen geführt. Ab und zu hat man sich gegenseitig mit Wasser aus Schalen bespritzt oder es flog auch gelegentlich ein Brocken Schweinefett durch die Gegend. Etwas, an dem sich der zurückhaltende Angeklagte wohl nicht aktiv beteiligte. Mitte vergangenen Jahres kam es dann zu einem unglücklichen Missverständnis.
Ein 58-jähriger Arbeitskollege wollte dem Angeklagten erklären, wie man kleinere Verunreinigungen schnell und einfach mit einem Wasserbecher entfernt. Nachdem die Verständigung scheiterte, ungeklärt, ob wegen des Lärms in der Halle oder wegen Sprachproblemen, leerte der Kollege dem Angeklagten das Wasser über die Schürze und die Gummistiefel. Er wollte ihm die Reinigung demonstrieren und der Angeklagte verstand es wohl als den ihm bekannten Wasserspritz-„Scherz“ unter Kollegen. Daraufhin baute er sich mit dem Messer in der Hand wütend vor dem Kollegen auf. Der gute Kontakt bekam einen Knacks.
Fortan saß der Angeklagte noch einsamer in den Pausen in der Kantine, trank seinen Kaffee und ging zurück an die Arbeit. Kollegen kritisierten seine Arbeit, er war ihnen zu genau, bekam den Spitznamen „Der Schnitzer“. Auch in einer WhatsApp-Gruppe wurde über den Angeklagten gelästert. Er fasste das vor Gericht zusammen mit dem Satz „Alles hassen mich“.
Zwei Tage vor Weihnachten kam es wohl wieder zum Wasserspritzen gegen den Angeklagten. Dieses Mal wohl durch das spätere Opfer und aus Spaß. Die Zeugen stellten die Abläufe aber anders dar als die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift. Täter und Opfer standen sich demnach wohl eher auf gleicher Höhe gegenüber, die bisherigen Ermittlungen klangen so, als ob das Opfer sich unterhalb vom Täter befand. Auch der Vorwurf, dass der Angeklagte das Opfer nach einem lebensgefährlichen Messerschnitt in den Hals mit zwei Messern verfolgt haben soll, ist fraglich geworden.
Zwei Zeugen sprachen nun davon, dass der Täter erst „ein bis zwei Minuten“ nach dem Schnitt den Tatort verlassen haben soll. Auch sei er dem Opfer nicht hinterhergerannt, sondern habe einfach nur ruhigen Schrittes den gleichen einzigen Ausgang aus der Halle benutzt. Anschließend legte er Schutzkleidung und Messer in der Umkleide beiseite und verließ den Schlachthof. Er radelte dann zum Busbahnhof und lief dann zum Polizeirevier Ulm-Mitte, um sich dort zu stellen.
Nun muss das Gericht durch weitere Zeugenbefragungen herausbekommen, wie die Abläufe tatsächlich waren. Ein psychiatrischer Gutachter ist eingeschaltet worden, um möglichen krankhafte Hintergründe zu klären.
Es sind noch vier weitere Verhandlungstage angesetzt, ein Urteil wird für den 1. August erwartet.