Ulmer Hirnforscher schreibt Buch über Pandemie

Er ist einer der bedeutendsten Hirnforscher Deutschlands: Prof. Dr. Manfred Spitzer aus Ulm. Diese Woche ist sein neues Buch erschienen.

In “Pandemie – Was die Krise mit uns macht“ befasst sich der 62-Jährige ausführlich mit den psychischen Folgen der Corona-Krise: "Das Buch Pandemie hat eben auch einen sehr großen Blickwinkel auf die Sache - also betrachtet sowohl das Virus, als auch uns und die menschlichen Reaktionen bis hin zur Gesellschaft. In der Wissenschaft wird so ein breiter Betrachtungswinkel nie belohnt. Da gilt es immer nur über ein kleines Stückchen der Realität alles zu wissen, aber nicht sich mal zu trauen mal einen Schritt zurückzutreten und zu sagen: Was heißt das denn jetzt insgesamt für uns alle? - Und deswegen habe ich auch das Buch geschrieben, weil ich denke, es hätte sonst in dieser Weise niemand geschrieben."

Spitzer unterscheidet auch zwischen Virus und Krise: "Das Virus betrifft nicht uns alle. Die Krise betrifft uns alle. Wie sie uns betrifft das hängt viel mehr von uns ab, als von irgendjemand anderem - den Entscheidungsträgern, die sich den Lockdown überlegen und durchführen und wir, die wir den umzusetzen haben. Als Psychiater kenne ich mich mit so etwas aus und genau deswegen dachte ich, da muss ich etwas darüber schreiben, denn es gibt auch so viel im Netz, was völliger Unfug ist. Da wird unverantwortlich tatsächlich mit dem Leben der Leute gespielt, denn wer sich nicht auskennt, wer das Falsche macht, der riskiert unter Umständen tatsächlich sein Leben und von denen, mit denen er zusammen ist."

Trotz aller Lockerung appelliert Spitzer an die Menschen, weiter diszipliniert zu bleiben, Abstand zu halten und Mundschutz zu tragen: "Zur Bekämpfung dieser Pandemie - das ist die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts - haben wir die Mittel des 14. Jahrhunderts. Mehr haben wir nicht. Wir haben keinen Impfung, wir haben keine Medikamente. Wir können uns schützen, wir können in Quarantäne gehen - das konnte man im 14. Jahrhundert auch schon und da hat es auch schon funktioniert. Wir bekämpfen heute die Pandemie des 21. Jahrhunderts mit mittelalterlichen Methoden. Das ist einfach so! Aber wenn das so ist, dann müssen wir es auch richtig machen."

Trotz all der Lockerungen befürchtet Spitzer keine zweite Welle: "Die zweite Welle, glaube ich, muss man jetzt nicht befürchten, weil wir es ja im Grunde wieder ziemlich gescheit machen. Wir kucken uns das jeweils im lokalen Bereich an und wenn irgendwo was ist, dann kann man da schauen was ist dann, wie gehen wir damit um, müssen wir in einem größeren Bereich drum herum wieder einen Lockdown machen oder müssen wir eine einzige Institution, also meinetwegen einen Schlachthof, schließen, weil da jetzt 100 Infizierte sind und die dann eben in Quarantäne tun. Da gehen wir einen vernünftigen Weg."

Langfristig wird die Corona-Pandemie uns Menschen verändern: "Ich glaube ganz wichtig ist, dass man einfach den Spieß umdreht und sagt: Ja jetzt habe ich plötzlich mehr Zeit, was mach ich denn jetzt damit? Wie setze ich das kreativ für mich um? Und als Gesellschaft ist es gut, wenn wir jetzt wieder aufmachen und zwar wirklich mit viel Nachdenken und gesteuert. Und es ist gut, wenn wir uns überlegen, wie wir aufmachen, dass wir eben nicht wieder da ankommen wo wir aufgehört haben vor der Krise, sondern woanders und zwar wirklich viel besser aufgestellt für die nächste Krise."

Spitzer setzt dabei ganz auf die Abkehr des immer „Höher-schneller-weiter“: "Das hoffe ich sehr und ich glaube, das hoffen mittlerweile sehr viele Menschen, dasss wir uns auf das besinnen was wirkkich wichtig ist. Und es ist nicht wichtig, dass das Bruttosozialprodukt jetzt dauernd steigt und das alles immer nur nach oben geht. Ich glaub wichtig ist, dass uns klar wird: Wir sind soziale Wesen und ganz wichtig sind andere Menschen, auch für unser Wohlbefinden. Nicht materieller Luxus, sondern mit anderen Menschen schöne Zeit verbringen. Das ist was uns wirklich glücklich macht."

Hören Sie hier Prof. Dr. Manfred Spitzer im Interview mit DONAU 3 FM Nachrichtenchef Harry Kist: 

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