Ulmer Melchior Figur: Landesbischof stärkt Münstergemeinde den Rücken

In der Debatte um die umstrittene Melchior-Figur der Ulmer Münsterkrippe hat der württembergische Landesbischof July der Münstergemeinde den Rücken gestärkt. Er würde zukünftig die Krippen-Könige stehenlassen und kommentieren. In diesem Jahr wird die Melchior-Figur, zusammen mit den beiden anderen Königen, nicht ausgestellt.

«Der Weg, den man jetzt in Ulm versucht zu gehen, ist richtig», sagte Frank Otfried July, «Es ist wichtig, eine Entscheidung gut zu beraten und auf dem Weg dorthin die dafür nötige Ruhe in der Gemeinde zu gewinnen.»

Die Gemeinde hatte sich entschieden, die Heiligen Drei Könige aus ihrer Weihnachtskrippe zu entfernen. Die drei Figuren, darunter ein dunkelhäutiger Melchior mit dicken Lippen und unförmiger Statur, sollen in diesem Jahr nicht gezeigt werden, sagte Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Die Gemeinde reagiere damit auch auf die andauernde Rassismus-Debatte in Deutschland. Eine endgültige Entscheidung zum Umgang mit der Figur des Melchior will die Gemeinde «in aller Ruhe» im neuen Jahr treffen.

July sprach sich dafür aus, die Figuren mit einem erklärenden Kommentar zu versehen. «So etwas abzuhängen oder wegzustellen oder in einem Museum zu verstecken, halte ich für den schlechteren Weg», sagte der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. «Es ist unsinnig, Dinge im Nachhinein unserer gegenwärtigen Überzeugung anzupassen. Man muss sie erklären und in eine heutige, kritische Bewertung stellen.»

Das schreibt die Münstergemeinde

Münsterkrippe wird im Advent 2020 ohne Könige aufgebaut: Nachdenken über die Krippe von Martin Scheible

Sensibilisiert durch die gesellschaftliche Debatte über Rassismus in all seinen Facetten hat sich der Kirchengemeinderat der Münstergemeinde Ulm gründlich mit der Darstellung des schwarzen Königs und seinem Gefolge durch Martin Scheible befasst. Nach eingehender Diskussion stand der Beschluss, in diesem Jahr die Krippe nach dem Bericht des Lukasevangeliums, also ohne Könige, aufzustellen. Das Gremium war sich einig, die Problematik im neuen Jahr mit der Stifterfamilie und der Öffentlichkeit zu diskutieren, um einen Weg zu finden, wie in Zukunft angemessen mit diesem Erbe umzugehen ist.

Selbstverständlich gehört in der kirchlichen Tradition ein schwarzer König an die Krippe.

Selbstverständlich gehört in der kirchlichen Tradition ein schwarzer König an die Krippe. Dieser Punkt war nie strittig. Problematisch ist die Art der Darstellung des schwarzen Königs. Er ist mit einer Fratze, wulstigen Lippen, einer grotesken Körperhaltung sowie unschönen Beinen abgebildet. Ein „Mohrenkind“ dient als Schleppenträger eines weißen Königs. Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagt dazu: „Problematisch ist bei der Krippe im Ulmer Münster einzig die aus heutiger Sicht stark klischeebehaftete Darstellung der Figuren, die rassistische Stereotypen bedient.“ Zu der Krippe gehört die Legende, die die Darstellung des „Mohren mit der Brezel“ erklärt. Danach habe sich einer der Könige so geärgert, dass er schwarz wurde. Grund seines Ärgers war, dass seine Wanderkameraden und er die so gut duftenden Ulmer Brezeln, die eigentlich für das Jesuskind bestimmt waren, selbst gegessen hatten.

Evangelium und Rassismus sind unvereinbar.

Dekan Ernst-Wilhelm Gohl merkt zu der Debatte an: „Evangelium und Rassismus sind unvereinbar. Wir scheuen uns nicht vor der Diskussion, inwieweit diese Figuren rassistisch zu verstehen ist. Jedoch ist das ein Nebenschauplatz. Wirklich wichtig ist nicht die Krippe mit ihren Geschichten, sondern der Rassismus im Alltag. Und den gibt es – auch in Ulm. So werden manchmal in der Diakoniestation wie in Pflegheimen Pflegerinnen und Pfleger mit schwarzer Hautfarbe von Patienten und Angehörigen abgelehnt. Menschen mit Migrationshintergrund tun sich schwerer als andere beim Anmieten einer Wohnung. Fußballer mit dunkler Hautfarbe werden von so genannten Fans mit Affengeräuschen und Bananenwürfen verhöhnt. Das ist das eigentliche Thema.“

Die Darstellung der Krippenszene geht auf Franz von Assisi zurück, der im Jahr 1223 auf die Idee kam, in Greccio die Geburtsgrotte von Bethlehem nachzubilden. In einer Krippenszene kommen immer verschiedene Traditionen zusammen. So berichtet der Evangelist Lukas von den Hirten auf dem Felde, die vom Engel in der Nacht geweckt werden. Ochs und Esel gehen auf Jesaja 1,3 zurück, wo es heißt: „Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn.“ Matthäus berichtet hingegen von Weisen (griechisch: „Magoi“), die sich aus dem Orient auf den Weg zur Krippe aufgemacht haben. Dass es drei Magier waren, wird aus den Geschenken: Gold, Weihrauch und Myrrhe rückgeschlossen. Erst ab dem 14. Jahrhundert wird einer der drei Könige als Schwarzer dargestellt. Dahinter steht der Gedanke, dass in Bethlehem der Retter der Welt geboren wird. Die Könige repräsentieren die damals bekannten Kontinente: Europa, Asien und Afrika. Welcher der drei Könige nun der schwarze sein soll, variiert. Meist gilt Caspar als "Vertreter Afrikas", manchmal aber auch Melchior oder Balthasar.

1992 wurde die Krippe, die Martin Scheible in den Zwanzigerjahren geschaffen hat, von den Erben der Familie Mößner der Münstergemeinde geschenkt. Vereinbart wurde damals, die Krippe jeweils zum Weihnachtsfest im Ulmer Münster aufzustellen. Zunächst stand die Krippe im Advent auf dem Kreuzaltar. Mittlerweile wird sie in einer Vitrine im Südschiff unter dem Friedensfenster von Thomas Kuzio gezeigt. So auch in diesem Jahr.

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