Ulmer Synagogen-Brandstifter: Landespolitiker fordern internationalen Haftbefehl

Der mutmaßliche Ulmer Synagogen-Brandstifter wird nicht aus der Türkei ausgeliefert. Der 45-jährige Türke ist nach der Tat dorthin geflohen. Jetzt verlangt Michael Joukov-Schwelling, Grüner Landtagsabgeordneter für Ulm, dass sofort ein internationaler Haftbefehl gegen den Verdächtigen ausgestellt wird.

Würde ein internationaler Haftbefehl gegen den Verdächtigen ausgestellt, dann würde er sofort festgenommen werden, wenn er über andere Länder aus der Türkei ausreisen wolle. Das wäre nicht nur als Zeichen der Generalprävention wichtig, sondern würde die Entschlossenheit demonstrieren, das jüdische Leben hierzulande wirksam zu beschützen, so Joukov-Schwelling in einem Brief an Landesjustizministerin Marion Gentges.

Der ganze Brief

Sehr geehrte Frau Ministerin Gentges, sehr geehrte Frau Kollegin,

der Brandanschlag auf die Ulmer Synagoge hat Ulmer Stadtgesellschaft und die jüdischen Mitbürger*innen schockiert und tief verunsichert. Dank einer schnellen Alarmierung der Feuerwehr durch eine*n engagierte*n Bürger*in und deren professionellem Agieren konnten zwar größere Schäden verhindert werden, das negiert jedoch keineswegs die antisemitische und fremdenfeindliche Intention dahinter. Gewiss stimmen Sie uns zu, dass alle rechtsstaatlichen Mittel ausgeschöpft werden müssen, damit sich Derartiges nicht wieder ereignet. Es gilt, dem verbalen Bekenntnis, dass jüdisches Leben in Deutschland und in Baden-Württemberg willkommen ist, auch entsprechende Konsequenzen folgen zu lassen.

Die Strafverfolgungsbehörden des Landes Baden-Württemberg haben rasch einen Mann ermittelt, der dringend verdächtig ist, den Anschlag verübt zu haben. Dafür gebührt ihnen ein großer Dank, den wir Sie weiterzuleiten bitten. Allerdings hält sich der Verdächtige gegenwärtig in der Türkei auf, und die dortige Verfassung bestimmt, dass er nicht ausgeliefert werden darf. Diese Regelung, die sich inhaltsgleich auch im deutschen Grundgesetz findet, verhindert eine schnelle juristische Aufarbeitung, was wir auf das Äußerste bedauern, was aber sich offenbar nicht ändern lässt.

Allerdings kann die Bundesregierung aktiv werden, und das ist der Grund für dieses Schreiben. Konkret bitten wir Sie, bei den zuständigen Bundesbehörden einzufordern, dass ein internationaler Haftbefehl gegen den Verdächtigen ausgestellt wird. Dieser Strafbefehl wird, wie Sie dem Landtag gegenüber auch ausgeführt haben, nicht die Auslieferung bewirken können, sehr wohl wird aber dann klar sein, dass, sollte der Verdächtige aus der Türkei ausreisen, er ergriffen, nach Deutschland überstellt und vor Gericht gestellt werden wird. Dieses wäre nicht nur als Zeichen der Generalprävention wichtig, sondern würde die Entschlossenheit demonstrieren, das jüdische Leben hierzulande wirksam zu beschützen.

Mehrere Mitglieder der jüdischen Gemeinde haben uns darauf aufmerksam gemacht, dass es nach dem jetzigen Stand für den Verdächtigen ohne weiteres möglich wäre, aus der Türkei nach Zürich oder Wien zu fliegen, um zu versuchen, die deutsche Grenze unbemerkt zu überschreiten, um sodann einen weiten Anschlagsversuch zu unternehmen. Wir finden es dringend geboten, dafür zu sorgen, dass er in diesem Fall bereits am Flughafen festgenommen werden würde, wofür ein internationaler Haftbefehl erforderlich ist.

Wir hoffen auf Ihr Verständnis und vor allem auf ein schnelles Handeln der zuständigen Behörden des Bundes. Wir bitten Sie, sich der Sache anzunehmen und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

-gezeichnet-
Michael Joukov-Schwelling, GRÜNER Landtagsabgeordneter für Ulm
-gezeichnet-
Ayla Cataltepe, Sprecherin für Demokratie und Demokratiestärkung der GRÜNEN
Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg

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