Vom Onlineflirt zum Zuhälter? 29-Jähriger vor Gericht

Verdächtiger behielt Geld für sich

Er lockte sie per Dating-App, erfand eine Identität und überwachte 50 Sex-Dates: Ein Mann soll eine Internetbekanntschaft zur Prostitution gezwungen haben. Jetzt steht er in Ulm vor Gericht.

Es fing mit harmlosen Textnachrichten an und endete in Zwangsprostitution für eine junge Frau: Ein 29-Jähriger soll eine Internetbekanntschaft dazu gebracht hat, mehr als 50 Mal Sex gegen Geld mit Fremden zu haben. Er soll als mutmaßlicher Zuhälter nicht nur eine Internetseite und zig Dates für die junge Frau organisiert haben. Laut Staatsanwaltschaft überwachte er die Treffen auch.

Angeklagt ist der Mann wegen ausbeuterische Zuhälterei und besonders schwere Zwangsprostitution. Er sitzt wegen anderer Delikte in Untersuchungshaft. Vor dem Landgericht Ulm zeigte er keine Reue, ein Geständnis gab es trotzdem: Er habe auf die Frau eingewirkt, dass sie der Prostitution nachgehe und habe danach gedroht, die Sache öffentlich zu machen, sagte er zu Prozessbeginn.

Kennenlernen unter falscher Identität

Ein komplexes Lügengeflecht soll der Angeklagte gesponnen haben, um die junge Frau gefügig zu machen. Im September 2020 soll er sie über eine Dating-App kennengelernt haben. Statt sich unter seinem echten Namen vorzustellen, habe er sich für jemanden ausgegeben, den er während eines Urlaubs kennengelernt hatte, sagte er.

Von seinem Onlineflirt verlangte der Mann laut Anklage ziemlich schnell Sex mit anderen Männern gegen Geld – und mit einem vermeintlichen Freund. Vor der jungen Frau gab sich der Angeklagte demnach bei einem Treffen in Ulm dann als dieser Freund aus. Erst zum Ende der Beziehung habe er die Sache aufgelöst.

Angeklagter soll Sex mit Freiern bewacht haben

Man habe sich zunächst nur zum Kaffeetrinken getroffen, erinnert sich der 29-Jährige. «Daraufhin habe ich dann gefragt, ob sie bereit wäre Geschlechtsverkehr auch mit anderen auszuüben gegen ein bestimmtes Geld». Sie habe zugestimmt, so der 29-Jährige.

Dabei habe er die junge Frau in dem Glauben gelassen, er würde das eingenommene Geld ihrem eigentlichen Internetflirt übergeben, damit dieser angebliche Schulden begleichen könne, sagte der Angeklagte.

Auf einer Webseite soll er einen Account für sie erstellt und verwaltet haben. Er soll etwa eineinhalb Jahre lang Dates mit Freiern vereinbart und den Sex überwacht haben. Das komplette Geld – etwa 4.000 Euro pro Monat – soll der Mann für sich behalten haben. Maximal 40 Euro Spritgeld soll die Frau bekommen haben.

Als sie nicht mehr wollte, soll ihr vermeintlicher Onlineflirt mit Trennung gedroht haben. 50.000 Chatnachrichten belegen laut Gericht die Anschuldigungen des Opfers, das unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagte.

Frau hatte kein Mitspracherecht

Die Treffen sollen sich in einer gemieteten Ferienwohnung und billigen Hotels abgespielt haben. Ihre Freier musste sie den Angaben nach auch mit Fieber und Schmerzen bedienen – in drei Fällen ohne Kondom. Ein Mitspracherecht bei den Leistungen hatte die Frau laut dem Angeklagten nicht.

Vor Gericht schilderte der 29-Jährige seine Version der Dinge: Die Frau habe freiwillig mit den Freiern geschlafen und ihm das eingenommene Geld ohne Widerrede überlassen. Erst nach einigen Monaten habe er bemerkt, dass es «dann nicht mehr so freiwillig war, wie es am Anfang abgelaufen ist».

Für das Verfahren sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt worden. Ein Urteil könnte Ende Juni fallen.

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