Wie verhält es sich mit der Fülle an internationalen Turnieren im Zuge des WTT-Programms: Stabilisiert es sich inzwischen oder ist es nach wie vor schwierig für die Vereine, eine vernünftige Saisonplanung zu betreiben?
„Es ist nach wie vor sehr schwierig und auch ein bisschen ärgerlich. Wir als Vereine sind die Leidtragenden und bekommen aufgrund der unklaren Terminplanung der WTT Probleme wegen der Hallenbelegung, sodass wir ständig Gespräche mit der Stadt führen müssen, denn wir können ja nicht pauschal ein ganzes Jahr blocken. Aufgrund dieser Situation müssen wir das Rad ständig neu erfinden. Auch für die Fans ist das nicht günstig, denen wir zum Beispiel keine Dauerkarten anbieten können.“
Wie entwickelt sich das generelle Niveau? Kommen die zahlreichen WTT-Turniere mit dem häufigen Kräftemessen mit starken Gegnern den Spielern zu Gute oder stressen die vielen Reisen zu sehr?
„Es sind nicht einmal so die vielen Reisen, die Reisestrapazen gab es ja auch schon vorher. Oft ist vor Ort vieles unklar und schlecht organisiert – und das stresst die Spieler ungemein. Vielfach sind die Setzungen und Auslosungen nebulös. Spieler wie etwa Hugo Calderano, die in der Vergangenheit schon einen klaren Plan gehabt haben und jemanden haben, der alles gemeinsam mit ihnen strategisch plant und umsetzt, sind da klar im Vorteil. Das haben aber viele nicht und irren dann bei den Turnieren oft recht ziellos durch die Gegend. Und für die Vereine ist es insofern schwieriger geworden, als man praktisch gar nicht mehr alle Spieler zum gemeinsamen Training vor Ort hat. Die Trainer müssen vielfach reagieren anstatt zu agieren, es erschwert den Alltag sehr.“
Es gibt einen neuen Vermarktungs- und TV-Partner der Liga: Bitte erläutern Sie als Verwaltungsratsmitglied das neue Konzept der TTBL und die dahinter stehenden Überlegungen. Wird die Liga dadurch attraktiver werden?
„Ich bin überzeugt, dass die Reichweite und Attraktivität der Liga im Zuge des neuen Konzepts deutlich gesteigert werden können. Der Vertrag mit Sportdeutschland war ausgelaufen, nun hat man mit der Firma Spontent und ihrem Geschäftsführer Christian Seifert, dem langjährigen Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), einen in meiner Sicht richtig guten Vertrag aushandeln können, der bis einschließlich der Saison 2027/2028 geht und somit Planungssicherheit schafft. Die Tischtennis Bundesliga hat als erste Liga ihre Medienrechte an S Nation Media, die Firma von Christian Seifert unter dem Dach des Hauses Springer, vergeben – zahlreiche weitere Sportarten sind inzwischen gefolgt. Bis zum Start der eigenen Streaming-Plattform zur Saison 2023/24 zeigt die Firma Spontent die Tischtennis-Partien auf ihrem Twitch-Kanal. Auch die Plattform Twitch, die seit 2011 besteht und seit 2014 Teil des Amazon-Konzerns ist, bürgt bereits für sehr gute Reichweiten. Spontent spricht täglich viele Millionen User an und zielt auf eine breite, sportaffine Öffentlichkeit. Die Idee lautet, auf einen kurzen Nenner gebracht, Tischtennis Bundesliga all week long. Jeden Tag TTBL, montags Topspiel, dienstags Magazin, mittwochs bester Ballwechsel und so weiter. Im Zuge der Kooperation wird die Qualität der Tischtennis-Übertragungen signifikant verbessert, zum Beispiel durch ein neues 3 + 1-Kamerasystem. Bisher hatten wir lediglich zwei Kameras am Laufen. Es stellen sich dadurch neue Aufgaben und Herausforderungen, doch wir begrüßen das ausdrücklich und wollen damit wachsen, sozusagen moderner werden. Positiv ist ferner, dass es finanzielle Rückflüsse von S Nation an die TTBL geben wird, von denen auch ein Teil an die Vereine gehen wird.“
Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass nach zwei extrem schwierigen Spielzeiten aufgrund der Pandemie nun endlich wieder Normalität im Ligaalltag eintritt? Sollte es erneut zu Zugangsbeschränkungen und Auflagen im Herbst/Winter kommen, kämen die TTF auch damit zurecht oder würde es den Verein zurückwerfen?
„Natürlich hoffen wir, dass wir die neue Saison, wie früher gewohnt, ohne Beschränkungen spielen können und unsere Konzentration allein dem Sport gelten kann, doch wenn es anders kommen sollte, werden wir auch damit zurechtkommen. Ich glaube, dass wir an dem Punkt angelangt sind, wo wir die Pandemie in den Alltag integriert und die wichtigsten Abläufe verinnerlicht haben. Ich bin da zuversichtlich. Wir wissen inzwischen, wie damit umzugehen ist, und können agieren. Diese Saison werden wir erst einmal keine Zusatztribüne aufstellen, die die Zuschauerkapazität von circa 400 auf 500 anheben würde, obwohl ja im Augenblick keine Beschränkungen bestehen. Wir sind für alle Szenarien gewappnet, sind medial top aufgestellt mit viel größerer Reichweite als jemals zuvor und könnten zur Not auch weniger Zuschauer verkraften, auch wenn wir natürlich am liebsten so viele Fans wie möglich direkt am Rande der Bande spüren wollen. Unser IT-Partner im Bereich Echtzeitstatistiken OSAI wird zudem entscheidend dazu beitragen, dass die Partien auch online sehr attraktiv präsentiert werden können. Natürlich wollen wir auch dem klassischen Fan, der einfach nur schönes Tischtennis sehen und genießen möchte, weiterhin gerecht werden. Wir wollen alle Interessentengruppen mit attraktiven Angeboten erreichen nach der Devise ‚Das eine tun, das andere nicht lassen‘.“
Wie ist die Situation in Hinblick auf die Sponsoren, Förderer und Unterstützer des Vereins? Hat die Pandemie hier zu Einbußen geführt und könnten ggfs. weitere Einschnitte erfolgen?
„Wir konnten uns trotz der schwierigen allgemeinen Situation sogar stabilisieren und sind sehr dankbar, dass uns unsere Partner – von Liebherr angefangen bis zu den vielen kleineren Sponsoren – treu geblieben sind. Wir haben von dieser Seite in den letzten beiden Jahren so oft gehört: „Jetzt erst recht!“ Das hat natürlich gut getan und uns bestärkt, am Ball zu bleiben und unsere vielfältigen, ambitionierten Projekte weiter auszubauen. Wir können uns bei unseren tollen Partnern nur herzlich bedanken und immer wieder bekräftigen, wie froh wir sind, dass sie an unserer Seite stehen! In Hinblick auf den Verein und seine Aktivitäten ist zu sagen: Es ist recht einfach, in „glorreichen“ Zeiten, in denen vieles wie von selbst läuft, etwas voranzutreiben, und dann, wenn es allgemein nicht so gut läuft, wieder abzuspringen. Das ist nicht unsere Philosophie, wir arbeiten langfristig und nachhaltig. Dennoch beobachten wir die Lage natürlich sehr aufmerksam und gestalten manche Planungen derzeit etwas defensiver, da ja das Thema Corona noch nicht vorbei ist. Wir gehen zielgerichtet voran, aber agieren, der allgemeinen Situation geschuldet, etwas behutsamer als vor der Pandemie.“