Weißenhorn: Bewährungsstrafe nach versuchtem Tankstellen-Raub

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Thomas Heckmann

Urteil nach Überfall

Der 43-jährige G. hat im Februar 2024 eine Tankstelle in Weißenhorn überfallen, aber kein Geld bekommen. Die überfallene Kassiererin leidet noch heute unter der Tat. Vor dem Landgericht Memmingen wurde er deswegen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Ein bedrückender Auftritt im Gerichtssaal

Die Handschellen an einem Bauchgurt gefesselt, wird der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt. Seit Juli sitzt der Mann in Untersuchungshaft. Und er wirkt gebrochen. Der Blick geht auf die Tischplatte, und am Körper ist keine Bewegung zu sehen, als am Donnerstagvormittag die Plädoyers der Staatsanwältin, des Nebenklagevertreters, der Verteidigerin und des Verteidigers gehalten werden. Seine Verteidigerin erklärt dieses Verhalten in ihrem Plädoyer damit, dass sich der Angeklagte für seine Tat schämt.

Letzte Worte des Angeklagten

Wie sehr er sich schämt, wird deutlich, als er die Gelegenheit zu den letzten Worten vor der Urteilsverkündung bekommt: „Es war eine Lektion für mich, die neun Monate [Untersuchungshaft] und dass ich hier sitze.“ Weiter sagte er, dass er sich sehr schäme und es bereue. Außerdem hat er sich erneut bei dem nicht anwesenden Opfer öffentlich entschuldigt.

Der Tathergang im Februar 2024

In den Plädoyers wurde nochmals kurz skizziert, was sich an diesem Februarabend im vergangenen Jahr ereignet hat – wobei Staatsanwaltschaft und Verteidigung die Fakten unterschiedlich bewerten. Kurz vor neun Uhr abends, wenige Minuten vor Ladenschluss, betrat der Angeklagte eine Tankstelle in Weißenhorn und maskierte sich dabei mit einer FFP2-Maske. Nachdem er die Kassiererin in ein Gespräch verwickelt hatte, packte er die junge Frau plötzlich am Oberarm. Als sie nicht wie gewünscht reagierte, sprühte er ihr Pfefferspray ins Gesicht und zog die sich stark wehrende Mitarbeiterin an ihrem Pferdeschwanz über den Tankstellenboden in das Büro. Dann versuchte der Täter, die Kasse zu öffnen – was ihm nicht gelang. Er rannte ohne Beute davon.

Langfristige Folgen für das Opfer

Einigkeit herrschte im Gerichtssaal über die heftigen Folgen für das Opfer. Dabei ging es nicht um die zweiwöchige Krankschreibung wegen der erlittenen Verletzungen durch das brutale Zerren ins Büro, sondern um die psychischen Langzeitfolgen. Die junge Frau ist noch immer in psychologischer Behandlung. Als Studentin hatte sie sich an der Tankstelle nebenher etwas Geld für den Lebensunterhalt verdienen wollen – doch nun leidet sie unter Angstzuständen und plötzlich auftretenden Panikattacken. Damit ist es ihr unmöglich, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder ihr Studium fortzusetzen. Sie befindet sich weiterhin in psychiatrischer Behandlung. Nach ihrer Zeugenaussage vor Gericht sagte sie zu ihrem Rechtsanwalt: „Es hat mir richtig gut getan, diese Aussage zu tätigen … einen Schritt in die Zukunft zu tun.“

Tatmotiv: Spielsucht und Verzweiflung

Der Angeklagte, der sich bereits in einem handgeschriebenen Brief beim Opfer entschuldigt und auch die Tat vor Gericht gestanden hat, war wohl aufgrund seiner Spielsucht pleite. Von Frau und Kindern getrennt, lebte er bei Familienangehörigen. Doch er hatte nicht nur sein eigenes Geld an Automaten verspielt – bei seiner Festnahme trug er auch die Kontokarte seiner Mutter bei sich. Das Konto war jedoch leer. Kein Geld mehr für Miete oder Essen.

Streit um rechtliche Einordnung

Vollkommen unterschiedlich bewerten die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung die Motive und die rechtlichen Folgen. War es Raub oder Erpressung? Die gefährliche Körperverletzung an der Tankstellen-Mitarbeiterin war unstrittig. Auch die Staatsanwältin hielt dem Angeklagten sein Geständnis und die Verzweiflung durch die Spielsucht zugute. Ebenfalls erwähnte sie positiv, dass der Mann bis zu diesem versuchten Raub noch nie straffällig geworden ist. Sie forderte dreieinhalb Jahre Haft – auch wegen der brutalen Ausführung der Tat.

Verteidigung plädiert auf milderes Urteil

Die Verteidigung hob in ihrem Plädoyer hervor, dass die Planung der Tat nicht wirklich weitreichend war. Andere Tankstellenräuber verwenden Sturmhauben, Sonnenbrillen und Handschuhe. Der Täter in Weißenhorn trug lediglich eine FFP2-Maske. Am Opfer konnte die Polizei DNA-Spuren des Täters sicherstellen. Schließlich scheiterte der Mann an der Kasse, die die Eingabe einer PIN verlangte – und musste ohne Beute flüchten. Er habe sich, so seine Verteidigerin, nicht vorher informiert, wie die Kasse geöffnet wird: „Das ist für mich, Entschuldigung, dämlich.“ Ab diesem Zeitpunkt geht die Verteidigerin von einem strafbefreienden Rücktritt aus, sodass es bei einer gefährlichen Körperverletzung bleibt. Sein Verhalten nach der Tat und die krankhafte Spielsucht sprechen für den Angeklagten: „Wenn er diese Spielsucht nicht hätte, würde er noch immer mit seiner Frau und seinen Kindern zusammenleben.“ Eine Bewährungsstrafe sei hier angemessen. Auch der Verteidiger des Angeklagten schlug daher eine zweijährige Bewährungsstrafe sowie einen Schadenersatz von 5.000 Euro für das Opfer vor.

Gericht erkennt mildernde Umstände

Die beiden Berufsrichter und die beiden Schöffen sahen in ihrem Urteil ebenfalls die Spielschulden als Auslöser für den Tatentschluss. Da der Täter nach dem Blick auf die Aufforderung zur PIN-Eingabe weglief, sah das Gericht die Möglichkeit, dass es sich um einen Tatrücktritt handelt. Nach Aussage der Tankstellenpächterin hätte der Täter nur eine bestimmte andere Taste drücken müssen, um an das Geld zu kommen. Da im Zweifel zugunsten des Angeklagten entschieden werden muss, verurteilte das Gericht den 43-Jährigen zu einer zweijährigen Haftstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zusätzlich muss er dem Opfer 5.000 Euro Schmerzensgeld in monatlichen 200-Euro-Raten zahlen. Der Haftbefehl wurde aufgehoben – nach Erledigung der Formalitäten konnte der Angeklagte das Gericht als freier Mann verlassen. Nun geht es für ihn darum, die Therapie gegen seine Spielsucht fortzusetzen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und seine Schulden abzuzahlen.

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