In Ulm wurde ein neues Mahnmal eingeweiht – es erinnert an Joseph Weiß, einen französischen Zwangsarbeiter, der im April 1945 von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Sein „Vergehen“: Er hatte nach einem Luftangriff ein Paar Filzstiefel mitgenommen. Die Hinrichtung fand fünf Tage vor dem Einmarsch der US-Armee statt.
Zwangsarbeit bei der Reichsbahn – und ein tödlicher Vorwurf
Joseph Weiß stammte aus dem Elsass und wurde nach Ulm verschleppt, wo er als Zwangsarbeiter für die Reichsbahn am Güterbahnhof bei Söflingen arbeiten musste. Nach dem Bombenangriff vom 16. April 1945 durchsuchte er wie viele andere Waggons nach Brauchbarem. Dabei nahm er ein Paar Filzstiefel an sich. Zwei jugendliche Ulmer zeigten ihn bei der Polizei wegen Plünderung an.
Ein Standgericht aus Gestapo, SS und NSDAP verurteilte Weiß am 19. April 1945 zum Tod. Die Hinrichtung fand im Innenhof des Untersuchungsgefängnisses im Frauengraben statt. Der Leichnam wurde anschließend mit einem Schild mit der Aufschrift „Plünderer“ um den Hals am damaligen Charlottenplatz öffentlich zur Schau gestellt. Heute befindet sich dort das Humboldt-Gymnasium. Weiß hinterließ eine Ehefrau und zwei Kinder.
Mahnmal am Ort des Verbrechens
Auf dem Gelände des heutigen Humboldt-Gymnasiums erinnert ein Mahnmal an Joseph Weiß. Es besteht aus einem metallenen Ahornblatt und steinernen Stiefeln. Das Mahnmal entstand im Rahmen eines Schulprojekts der Gymnasien Humboldt und Kepler. Die Stadt Ulm organisierte gemeinsam mit der Abteilung Bildung und Sport mehrere Workshops. Beteiligte waren unter anderem das Haus der Stadtgeschichte, die Kulturabteilung, das Gebäudemanagement, Lehrkräfte und Elternbeiräte.
Einweihung mit internationaler Beteiligung
Zur Einweihung kamen zahlreiche Gäste, darunter der französische Generalkonsul Gaël de Maisonneuve. Anwesend war auch Sébastian Hestin, ein Großneffe von Joseph Weiß, aus dem elsässischen Mulhouse.
Erinnerungskultur in Ulm und der Region
In Langenau erinnert seit 2013 eine Gedenktafel an den französischen Zwangsarbeiter Francis Bioret. In Ellwangen wurde an den Todesmarsch von KZ-Häftlingen im April 1945 erinnert.
In Ehingen (Donau) wurde am 14. April 1945 ein polnischer Zwangsarbeiter am Groggensee erhängt. Am 21. April 1945 wurden auf der sogenannten Wolfsgurgel, einem Waldstück zwischen Ehingen und Altsteußlingen, sieben von elf geflüchteten KZ-Häftlingen erschossen und verscharrt. Drei Häftlingen gelang die Flucht, ein weiterer starb im Ehinger Gefängnis.
Am 21. April 1945 wurden in der Nähe des Vöhringer Hofs bei Riedlingen, nahe der heutigen Verbandskläranlage, drei Häftlinge des Schutzhaftlagers Welzheim – Johann Gottlieb Aberle, Hermann Eugen Schlotterbeck und Andreas Stadler – durch Erschießen hingerichtet und an Ort und Stelle verscharrt. Heute steht dort ein Gedenkstein der Stadt Riedlingen.
Nach dem Krieg wurde wegen der Verbrechen bei Ehingen der sogenannte „Ehingen-Prozess“ vor dem Tribunal général in Rastatt geführt. Er endete mit einem Todesurteil und mehreren Haftstrafen für die Täter.