Ulm, 1945: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, doch für viele beginnt ein neuer Überlebenskampf. Die Stadt liegt zu 80 Prozent in Schutt und Asche, Wohnungen sind kaum noch vorhanden. In dieser verzweifelten Lage wird die Wilhelmsburg zur letzten Rettung: eine mächtige Festung auf dem Michelsberg, ursprünglich für Soldaten erbaut – nun Zufluchtsort für bis zu 4.500 Menschen.
80 Jahre Kriegsende: Zuflucht Ulmer Wilhelmsburg
Frühjahr 1945: Noch während die letzten Bomben fallen, leben auf der Wilhelmsburg rund 1.200 polnische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Sie wurden vom NS-Regime ein Jahr zuvor mit dem Telefunken-Werk aus Lodz nach Ulm verlagert und mussten bis kurz vor Kriegsende unter schwersten Bedingungen Röhren für Funkgeräte produzieren.
Mai 1945: Mit der Kapitulation Deutschlands endet der Zweite Weltkrieg – aber in Ulm beginnt eine Zeit der Not. Enteignungen und Zwangsumquartierungen folgen. Familien, darunter auch ehemalige Parteimitglieder, verlieren ihre Wohnungen. Innerhalb weniger Tage werden viele in die Wilhelmsburg verlegt, oft ohne zu wissen, wie lange sie dort bleiben würden.
Sommer 1945: Die Zwangsarbeiter verlassen die Burg – ausgebombte Ulmer ziehen ein. Auch Heimatvertriebene aus Südosteuropa, darunter donauschwäbische Flüchtlinge aus Ungarn, kommen hinzu. Die alte Militäranlage verwandelt sich notgedrungen in eine provisorische Stadt. In den dunklen Kasematten und engen Kammern richten sich Familien mit einfachsten Mitteln ein: Holzöfen, Wasser nur im Hof, kaum Privatsphäre.
Ende der 1940er: Aus einer Notlösung wird Alltag. Kinder wachsen in der Festung auf – für sie wird die Burg auch zum Abenteuerspielplatz. Gleichzeitig prägen Hunger, Kälte und Enge das Leben. Nach und nach entsteht eine eigene Infrastruktur mit Schule, Kindergarten, Läden und sogar einem Friseur.
1950er Jahre: Was als Übergang gedacht war, dauert bei vielen Familien bald Jahre. Die Wilhelmsburg wird zum Symbol für den Überlebenswillen einer Stadt – und zum stummen Zeugen jener Zeit, in der sich Ulm aus der Asche erhob.
Heute, 80 Jahre später, erinnern sich ehemalige Bewohner an Entbehrung und Gemeinschaft, an Verlust und Neubeginn. Ihre Geschichten zeigen: Der Krieg war mit der Kapitulation nicht vorbei – er hallte in den Lebensläufen und Mauern der Wilhelmsburg noch lange nach.
Wer mehr erfahren will, kann das im Stadtarchiv Ulm oder beim Förderkreis Bundesfestung Ulm e.V.