Ulm: Frau veruntreut über 700.000 Euro beim Arbeitgeber

Frau, veruntreut, 700 000 Euro — © Thomas Heckmann
Thomas Heckmann

Schlecht gelaufen!

Mit Handschellen und Fußfesseln wird die 48-jährige Christiane T. aus der Untersuchungshaft in den großen Saal des Landgericht Ulm geführt, denn den Vorwurf wiegt schwer. Untreue wird der Frau vorgeworfen, sie soll über fast fünf Jahre hinweg 194-mal Geld vom Firmenkonto auf ihr eigenes Konto überwiesen haben und dabei 715 478,59 Euro veruntreut haben.

Rund 45 Minuten brauchte die Erste Staatsanwältin Kerstin Wackenhut um die 194 Taten in der Anklageschrift zu verlesen. Wer von den wenigen Zuhörern im Gerichtssaal der Anklageschrift gefolgt ist, bemerkte, dass sich die Täterin offensichtlich sehr darum bemüht hat, unauffällig vorzugehen. Sie eröffnete extra ein Konto, auf das sie sich etwa einmal wöchentlich Geld überwies, immer wechselnde Beträge. Auch der Verwendungszweck war immer ein anderer, Rechnungs- und Kundennummern wechselten und immer wieder wies die Täterin im Buchungstext sogar einen Skontoabzug aus.

Deshalb ist sie aufgeflogen

Aufgeflogen sind die Taten durch eine Geldwäschemeldung der Bank, der Arbeitgeber hatte noch gar nicht bemerkt, dass ihm Geld unrechtmäßig abgezogen wurde, da die Mitarbeiterin seit rund 15 Jahren in der Firma beschäftigt war und als Buchhalterin die Überweisungen selbst ausführen konnte. Weil von dem Konto der Frau immer wieder größere Summen ins Ausland überwiesen wurden, wurde die Bank stutzig und informierte, wie gesetzlich vorgesehen, die entsprechende Ermittlungseinheit. Erst während der Ermittlungen der Ulmer Kriminalpolizei kam ans Licht, dass die Überweisung auf dem Konto nichts mit Geldwäsche zu tun haben, sondern die Folge von gewerbsmäßiger Untreue sind.

Die Täterin ließ über ihren Rechtsanwalt eine Erklärung vorlesen, in der sie die 194 Taten einräumte. „Ich bestätige den Sachverhalt, will weder Mitleid noch bagatellisieren. Ich möchte nur erklären, wie es zu der Katastrophe kommen konnte.“ In der umfangreichen Erklärung ging die Täterin bis zu ihrer Kindheit zurück, in der sie sich ungeliebt fühlte und auch immer wieder geschlagen wurde. Nach dem Schulabschluss und der Ausbildung zur Bürokauffrau war es in ihrer Beziehung nicht besser. Nach der Geburt des Sohnes im Jahr 2011 litt sie unter Wochenbettdepressionen, durch die Streitigkeiten mit dem Partner empfand sie, keine gute Mutter zu sein und nichts wert zu sein.

Mit Alkohol betäubt

Die Frau flüchtete sich in den Alkohol, um ihre Sorgen zu betäuben und die innere Leere zu dämpfen. Dann ging sie in ein Casino, später in Online-Casinos. Anfangs war es nur Spielgeld, später echtes Geld. Ihr Anwalt verlas, dass es bei Gewinnen zu Glücksgefühlen kam und der Alkohol die Hemmschwelle gesenkt hatte, Geld zu riskieren. Schließlich war die Altersvorsorge verspielt und die Frau war in einer Verzweiflung zwischen Trinken und Spielen. Als dann kein eigenes Geld mehr da war, begann sie, sich Geld aus der Firma zu überweisen, um das verlorene Geld zurückzuholen. „Es klingt für andere absurd“ lässt sie weiter erwähnen. Sie hat in der Angst gelebt, erwischt zu werden, hat sich daher mit Alkohol betäubt und mit Glücksspiel abgelenkt.

Nach der Trennung von ihrem Partner hat sie sich dann 2021 einen neuen Partner gesucht und in einem Online-Dating gefunden. Alberto gab sich als Architekt aus Frankreich aus, machte ihr Komplimente. Durch die Glücksgefühle, die sie durch ihn erlebte, musste sie nicht mehr online spielen. Sie konnte sich eine gemeinsame Zukunft mit vorstellen. Doch dann war Alberto auf einer Geschäftsreise, auf der ihm seine Kreditkarten gestohlen wurden und sie überwies ihm Geld. „So naiv das im Nachhinein klingt“, sie fühlte sich wie in einer Art Gehirnwäsche, doch „es war mir nur wichtig, mit ihm glücklich zu sein“.

Love-Scamming

In der weiteren Erklärung bestätigte sich dann das klassische Muster des „Love-Scamming“. Während sich die Angeklagte eine gemeinsame Zukunft mit Alberto ausmalte, brauchte dieser Geld für einen Notar in Italien, der sich auch bei der Angeklagten meldete. Steuern und Gebühren waren für eine angebliche Millionenerbschaft notwendig, die die Angeklagte auch überwies. Als sie dann ahnte, dass etwas nicht stimmt, wollte sie den Kontakt abbrechen. Der vermeintliche Alberto drohte ihr damit, Nacktfotos von ihr an die lokalen Medien zu senden und im Internet zu veröffentlichen. Da sie immer noch nicht zahlte, kontaktierte Alberto ihren Sohn und drohte auch dort mit den Nacktfotos der Mutter. Die Angeklagte zahlte weiter.

Um Ablenkung von dieser belastenden Erpressung zu bekommen, hat sie sich erneut in einem Online-Dating-Portal angemeldet und wurde dort von einem Belgier kontaktiert, der dann auch irgendwann Geld forderte. Dieser Kontakt brach ab, als die Angeklagte von der Polizei verhaftet wurde und in Untersuchungshaft kam.

Weiter wird sie zitiert mit der Aussage „Ich schäme mich gegenüber meiner Familie“ und auch, dass sie den Schaden, so gut es geht, wiedergutmachen will. Aus der Haft heraus hat sie bereits ihr Auto verkauft und auch einen Immobilienbesitz wird sie noch verkaufen.

Zum Prozess ist auch ein psychiatrischer Gutachter geladen, der an einem der weiteren drei geplanten Verhandlungstage ein Gutachten vorstellen wird. Daneben sind noch eine Vorgesetzte und Polizisten als Zeugen geladen. Ein Urteil wird für den 9. November erwartet.

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