Ulm: Versuchter Mord oder Gewalt in der Beziehung

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Thomas Heckmann

Anklage gegen Krystian K.

In Handschellen und mit Fußfesseln wird am Dienstagmorgen der 41-jährige Krystian K. in den Gerichtssaal geführt. Vor dem Ulmer Landgericht muss sich der 41-Jährige wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags verantworten.

Die Tatbeschreibung der Staatsanwaltschaft wiegt schwer. So soll der Mann im Mai vergangenen Jahres gegen zwei Uhr morgens seine damalige Partnerin im Streit gewürgt und ins Gesicht geschlagen haben. Als sie sich nicht mehr bewegte, ging er davon aus, dass sie tot sei, und rief den Rettungsdienst und die Polizei. Die 49-jährige Frau überlebte den Angriff und kam in ein Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann daher versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor.

Aussage des Angeklagten

Nach der Verlesung der Anklageschrift sagt Krystian K. umfangreich aus und versucht, jede Frage des Gerichts zu beantworten, auch wenn alles Satz für Satz zwischen Deutsch und Polnisch hin- und herübersetzt werden muss. Am Tattag habe K. eine neue Arbeit gefunden und zur Feier des Tages eine Flasche Wodka gekauft. Diese habe er binnen drei Stunden zur Hälfte geleert, während seine Partnerin Wein trank. Gegen Mitternacht legten sich beide ins Bett. Um zwei Uhr morgens sei er von seiner Partnerin zum zweiten Mal aus dem Bett getreten worden. Es entwickelte sich ein Streit, und nachdem sie ihm auf Polnisch „Verpiss dich!“ entgegenschrie, habe er sie am Hals gepackt und mehrfach heftig ins Gesicht geschlagen. Als sie regungslos liegen blieb, habe er angenommen, dass sie tot sei. Daraufhin zog er sich die Schuhe an, hörte sie jedoch röcheln und rief über den Notruf 112 Rettungsdienst und Polizei. „Ich wollte sie nicht töten!“ erklärte der Angeklagte dem Gericht. Auf die Nachfrage, warum er sein Opfer dann nicht reanimiert habe, erklärte er, er habe Angst gehabt, die Situation zu verschlechtern. Zum Tatzeitpunkt war Krystian K. mit mehr als 1,4 Promille alkoholisiert.

Die Polizei nahm den Mann fest. Nach einer Erstversorgung durch den Notarzt wurde die Frau ins Krankenhaus gebracht, wo sie vier Tage blieb.

Konflikte in der Beziehung

Die Beziehung zwischen den beiden bestand seit rund einem Jahr, doch es kam immer wieder zu Streitigkeiten, insbesondere wenn das Geld aus war. Zusätzliche Konflikte entstanden, wenn die Frau betrunken Auto fuhr oder Diebstähle beging. Auch sie wurde gegenüber ihm tätlich. So erhielt sie ein zehntägiges Annäherungsverbot, nachdem sie einen Teller auf seinem Kopf zerschlagen hatte.

Gutachten der Fachärztin

Eine Überraschung brachte das Gutachten der Ärztin, die die pathologische Untersuchung am Opfer vornahm. Sie listete sämtliche Verletzungen des Opfers auf, darunter ältere blaue Flecken an Armen und Beinen. Mindestens sieben heftige Schläge trafen den Kopf und führten zu Schwellungen, blauen Flecken und einer blutenden Wunde an der Augenbraue. Einblutungen gab es an der Lippe und in den Augen. Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters erklärte sie jedoch, dass bei den Schlägen gegen den Kopf „von keiner Lebensgefahr auszugehen“ sei.

Die deutlich sichtbaren Einblutungen am Hals wurden durch die zweite Hand des Täters verursacht. Die Fachärztin bewertete die Verletzungen jedoch als „eher ein Haltegriff als ein Würgegriff“, da das Opfer nicht über Schluckbeschwerden klagte, die auf ein Würgen hindeuten. Die vom Täter erkannte Bewusstlosigkeit des Opfers ordnete sie als Bewusstseinstrübung ein, die möglicherweise mit der Alkoholisierung des Opfers zusammenhing.

Weitere Beweisaussagen und Fortsetzung des Prozesses

Weitere Aussagen machten Polizisten, die am Tatort im Einsatz waren. Sie berichteten von einem Blutfleck auf dem Bettlaken und Blutspuren in der Wohnung. Für den kommenden Dienstag ist das Opfer als Zeugin geladen.

Der Prozess soll vier Verhandlungstage in Anspruch nehmen und wird am Freitag fortgesetzt. Ein Urteil wird noch in diesem Monat erwartet.

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