Bewährung nach Lehrer-Angriff in Ulm-Wiblingen

Urteil gefallen

Bewährungsstrafe statt Haft: Gericht fällt Urteil im Fall des niedergeschlagenen Lehrers in Ulm.

Im Prozess um den lebensgefährlichen Angriff auf einen Lehrer der Ulmer Sägefeldschule ist der 23-jährige Angeklagte am Mittwochmittag zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Das Ulmer Landgericht sieht es als nicht erwiesen an, dass er der Täter war, doch es sieht ihn mindestens als den Fahrer des weiterhin unbekannten Täters an.

Wendung im Prozessverlauf

Die Wendung des Prozesses weg vom ursprünglich angeklagten versuchten Totschlag deutete sich bereits am Montag an, als zum letzten Mal verhandelt wurde und die Plädoyers gehalten wurden. Dem seit März in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten wurden dabei die Handschellen abgenommen und die Haftentlassung angeordnet. Die Staatsanwaltschaft forderte am Montag in ihrem Plädoyer acht Jahre Haft unter anderem wegen versuchten Totschlags, die Verteidigung forderte dagegen einen Freispruch.

Die Tat hinter der Schule

Im Prozess ging es um einen Angriff im Frühjahr direkt hinter der Grund- und Werkrealschule im Stadtteil Wiblingen. Ein 34-jähriger Lehrer wurde am 26. Februar dieses Jahres nach dem Nachmittagsunterricht von einem Vermummten angegriffen. Mit einem Gegenstand, der einem Baseballschläger ähnelte, wurde der Lehrer unter anderem massiv am Kopf getroffen. Bewusstlos ging er zu Boden und wurde dabei so schwer verletzt, dass ein medizinischer Sachverständiger die Verletzungen als lebensbedrohlich einstufte.

Forderung nach Schmerzensgeld

Der Lehrer hat sich als Nebenkläger dem Verfahren angeschlossen und fordert eine hohe Schmerzensgeldzahlung für die erlittenen Verletzungen. Als der Lehrer als Zeuge vor Gericht erschien, war sein Gesundheitszustand offensichtlich. Seine Schwester schob den bulligen Mann im Rollstuhl in den Saal. Dort war er kaum in der Lage, einen ganzen Satz zu sprechen. Allein die Anwesenheit der Zuschauer versetzte ihn in eine solche innere Unruhe, dass er nur flüsterte. An die Tat kann er sich nicht mehr erinnern; er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, welche Fächer er als Lehrer unterrichtete. Ein medizinischer Gutachter bescheinigte ihm Berufsunfähigkeit.

Indizien gegen den Angeklagten

Drei Wochen nach der Tat wurde der Angeklagte festgenommen. Da kein Zeuge den Täter direkt gesehen hatte, musste die Polizei über eine umfangreiche Spurensuche ermitteln. Dabei wurden auch die Mobilfunkdaten in der Umgebung ausgewertet, wodurch die Ermittler auf den jungen Mann stießen. Nach dieser Datenauswertung war er am Tattag stundenlang in Tatortnähe, was für ihn unüblich war. Dort, wo nach Zeugenaussagen der Täter dem Lehrer auflauerte, fanden die Ermittler mehrere Zigarettenkippen mit DNA-Spuren des Angeklagten.

Zweifel an den Beweisen

Die Staatsanwaltschaft war sich sicher, den 23-jährigen ehemaligen Schüler des Lehrers als Täter identifiziert zu haben. Doch die Verteidigung schaffte es, die vorgelegten Indizien zu erschüttern. Insbesondere ein Gutachten zu den gefundenen Zigarettenfiltern kam zu dem Ergebnis, dass nicht sicher festgestellt werden konnte, wann diese Zigarettenstummel dort hingeworfen wurden. Es könnte auch Wochen zuvor geschehen sein.

Keine Tatwaffe, kein Geständnis

Ein Geständnis gab es nicht, und auch die Tatwaffe ist bis heute nicht gefunden. Da dem Angeklagten die Tat nicht nachgewiesen werden konnte, jedoch handfeste Indizien vorlagen, dass der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort war, deutete das Gericht seine Tatbeteiligung um. Die Schwurgerichtskammer ist sich sicher, dass er mindestens den Täter zum Tatort gebracht hat. Mehr konnte das Gericht nicht sicher beweisen.

Ermittlungen gegen das Opfer

Auf der Suche nach dem Motiv für den lebensgefährlichen Angriff wurde auch das Smartphone des Opfers untersucht. Dabei stießen die Ermittler in passwortgeschützten Ordnern auf zahlreiche Fotos und Videos. Nach Namen oder Spitznamen sortiert fanden sich dort kinderpornografische Inhalte. Mindestens 23 ehemalige männliche Schüler der Schule aus den Jahren 2016 bis 2023 waren darauf nackt oder bei der Selbstbefriedigung zu sehen. Teilweise waren die Schüler erst 13 Jahre alt. Aufnahmen des Angeklagten waren jedoch nicht darunter. Mit Zigaretten, Geld und besseren Noten soll der Lehrer die Schüler dazu gebracht haben, diese Fotos zu machen und ihm zu schicken. Die Staatsanwaltschaft führt deswegen ein separates Ermittlungsverfahren gegen den Lehrer.

Revision angekündigt

Verteidiger Dominik Hammerstein hat noch im Landgericht angekündigt, Revision einzulegen. Das ist ein fristwahrender Schritt, da er nur eine Woche Zeit hat, Revision einzulegen. Eine schriftliche Urteilsbegründung wird erst in einigen Wochen vorliegen.

Das könnte Dich auch interessieren

17.12.2024 Ulm: Urteil nach Attacke auf Lehrer erwartet Im Prozess um den Angriff auf einen Lehrer wird am Mittwoch (13.00 Uhr) am Landgericht Ulm das Urteil gegen einen früheren Schüler erwartet. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 23-Jährigen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung vor. Der junge Mann war zwei Tage vor der geplanten Urteilsverkündung aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das Gericht hat den Haftbefehl aufgehoben, weil es 20.12.2024 Angegriffener Lehrer vorerst nicht angeklagt Es geht um den Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen und den Besitz jugendpornografischer Inhalte Ein angegriffener Lehrer aus Ulm wird vorerst nicht angeklagt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat ein Gutachten ergeben, dass der Beschuldigte aus gesundheitlichen Gründen nicht verhandlungsfähig ist. «Danach kann derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte sich adäquat in einem 17.12.2024 Haftstrafe nach versuchtem Mord an Mutter in Munderkingen Das Landgericht Ulm hat einen 63-jährigen Angeklagten zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Richter sind überzeugt, dass der Mann im April dieses Jahres in der Wohnung seiner 91-jährigen Mutter in Munderkingen ein Feuer gelegt hat, um sie und sich selbst umzubringen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Mordabsicht durch Küchenbrand Der Angeklagte soll einen Topf 21.01.2025 Ulm – Staatsanwalt sieht weiterhin versuchten Totschlag Den gewaltsamen Angriff eines 41-jährigen Mannes im Mai auf seine Partnerin sieht der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als versuchten Totschlag. Der Verteidiger ist dagegen fest davon überzeugt, dass die mindestens sieben Schläge gegen den Kopf eine gefährliche Körperverletzung sind. Das Urteil vor dem Ulmer Landgericht soll am Freitag fallen. Tatablauf und Ermittlungen Verhandelt wird seit