Nach zwei Stunden mitten auf der Kreuzung zwischen den fahrenden Autos steht Uwe Bimek wieder auf dem Gehweg am Ehinger Tor und kann etwas durchatmen: „Heute brauche ich keinen Dienstsport mehr“ sagt er grinsend und gibt zu, dass es ihn ein bisschen anstrengt mit ausgebreiteten Armen, gerecktem Arm oder per Handzeichen den Verkehr auf der größten Ulmer Kreuzung zu regeln. Vor weit mehr als 40 Jahren hat Bimek auf dieser Kreuzung von seinem Ausbilder gelernt, wie man den Verkehr regelt und seither lässt er es sich nicht mehr nehmen, das seltene Ereignis Verkehrsregelung am Ehinger Tor selbst zu leiten. Mit Warnkleidung, weißen Handschuhen und einer Trillerpfeife hat er sich mittig zwischen der Haltestelle Ehinger Tor und dem Finanzamt postiert, drei weitere Kollegen stehen an den Zufahrtsstraßen und haben neben dem Fußgängerverkehr auch die Straßenbahn und die Stadtbusse im Auge.
Die Stadt Ulm will die Ampeltaktung für Fußgänger und Fahrradfahrer vom Universum Center in Richtung Finanzamt verbessern, auch der Nahverkehr soll flüssiger über die Kreuzung kommen. Dazu ist nicht nur eine Änderung der Programmierung notwendig, es müssen auch kleinere Bauarbeiten stattfinden, die Verkabelung geändert werden. Bei abgeschalteter Ampel würden die daneben hängenden Verkehrszeichen gelten, doch das war den Verantwortlichen für eine mehrstündige planbare Aktion zu gefährlich.
In den letzten Jahren ist dem Polizisten aufgefallen, dass bei solchen Einsätzen vermehrt Fahrschulfahrzeuge unterwegs sind, damit die Fahrschüler das seltene Ereignis der manuellen Verkehrsregelung einmal selbst erleben können. Heute haben die meisten Autofahrer verstanden, dass die sichtbar ausgebreiteten Arme wie ein Rotlicht sind, der Arm senkrecht nach oben so etwas wie das Ampel-Gelb bedeutet. Nur wenn man den Polizisten im Profil sieht, darf man wie bei Grünlicht fahren. Zwischendrin gibt es aus der Trillerpfeife von Bimek immer mal wieder einen kleinen Achtungspfiff, wenn beispielsweise ein Autofahrer auf der Linksabbiegerspur einfach zusammen mit dem Geradeausverkehr losfährt. Dann kreuzen immer wieder die Straßenbahnen, dafür muss der Verkehr dann kurz angehalten werden. Mehrfach nähert sich ein Rettungswagen, dann geht es genau andersherum, denn die Richtung aus der das Martinhorn zu hören ist, wird sofort losgewunken, damit der Rettungswagen nicht im Rückstau festhängt.
Am Ende ist Bimek zufrieden, die Zusammenarbeit mit den Kollegen, die seine Signale an den Zufahrten für die bessere Sichtbarkeit wiederholt haben, hat funktioniert, es kam zu keinem Unfall, zu keiner gefährlichen Situation. Und gefühlt war der Rückstau kürzer als zu den Zeiten, in denen die Ampel in Betrieb ist.
Wahrscheinlich war dieser Einsatz der letzte für Uwe Bimek auf der Kreuzung, auf der er das Verkehr regeln auch gelernt hat. Am Mittwoch wird er 63 Jahre alt und er kennt schon seinen letzten Arbeitstag im kommenden Jahr. Natürlich geht Bimek nicht, ohne heute nochmals genau geschaut zu haben, welche Kollegen sich als Nachfolger eignen.