Der Rettungsdienst liebt Abkürzungen, deswegen heißen die beiden Fahrzeuge SimRTW und SLW, ein Simulations-Rettungswagen und der Simulationsleitwagen.
Beide sind voller Technik, dazu gehören Videokameras, Mikrofone und Lautsprecher. Im SimRTW ist jeder Winkel des Fahrzeuges mit den Kameras einsehbar, das Rettungsdienstpersonal trägt Mikrofone, damit die Übungsleiter im anderen Fahrzeug genau sehen, was getan wird. Wichtig war bei der Konzeption des SimRTW, dass es von der Ausstattung her ein aktuelles Fahrzeug ist, alles ist genauso wie in den regulären Rettungswagen, die das DRK im Alb-Donau-Kreis, im Landkreis Heidenheim und in der Stadt Ulm betreibt. Die Kameras sind Magneten befestigt, so kann der SimRTW binnen weniger Minuten zu einem normalen Rettungswagen abgerüstet werden und auch als Ersatzfahrzeug unterwegs sein. Die gewohnte Arbeitsumgebung ist für DRK-Rettungsdienstleiter Tobias Zoller einer der großen Vorteile gegenüber anderen Simulationskonzepten.
Mittelpunkt im Rettungswagen ist die Übungspuppe auf der Trage. Sie wird aus dem SLW ferngesteuert, kann unter anderem die Augen öffnen und schließen und Atemprobleme bekommen. Über einen Lautsprecher unter der Trage spricht sie sogar, auf die Frage von Notfallsanitäter Johannes Spülbeck an die Puppe nach der letzten Mahlzeit antwortet Ausbilder Tobias Egle über sein Mikrofon und den Lautsprecher unter der Puppe mit schmerzverzerrter Stimme „Schweinebraten“. Herzfrequenz und Blutdruck werden zusammen mit anderen Werten gemessen, eingenommene Medikamente werden abgefragt. Schließlich erkennt das Rettungsteam eine allergische Reaktion auf ein Schmerzmedikament und spritzt das passende Medikament in der passenden Dosierung.
Die Übung wird beendet und nun folgt die Nachbesprechung. Praxisanleiter Tim Polak steuert von seinem Tablet einen großen Monitor, auf dem die Videoaufzeichnung gezeigt wird. Alle Beteiligten können nun ihre Arbeit sehen, Polak fragt nach, warum die eine oder andere Maßnahme ergriffen wurde, wie sicher sind das Team in der Arbeit fühlte und wie die Zusammenarbeit klappte.
Ziel der Simulationen ist vor allem die Steigerung der Patienten-Sicherheit, so Praxisanleiter Philipp Güttinger. Während die Medizintechnik zuverlässig ist und die Notfallsanitäter fachlich gut ausgebildet sind, entstehen Probleme oft aus dem Zusammenspiel im Team. Abgeleitet aus den Erfahrungen in der Luftfahrt geht es beim Crew Resource Management um die Teamleistung und die Teamkommunikation. Zu den Schlagworten gehören dabei beispielsweise „10 for 10“, damit das Team in zehn Sekunden bespricht, was in den nächsten zehn Minuten ansteht und welche Ziele erreicht werden sollen. Gute Kommunikation hilft Missverständnisse zu vermeiden. Güttinger versteht dabei die Simulation nicht als Kontrolle, sondern als Unterstützung und Training.
Professor Dr. Bernd Kühlmuß, der ärztliche Verantwortliche im DRK-Rettungsdienst, ist begeistert von dieser Form der Simulation. Gut ausgebildete Notfallsanitäter entlasten die Notärzte und dürfen in genau definierten Situationen Medikamente geben, dabei soll die Medikamentengabe noch ausgeweitet werden. Nicht jeder Einsatz erfordert einen Notarzt, sie werden bei manchen Szenarien durch die Notfallsanitäter substituiert.
Während anders wo in Rettungswagen-ähnlichen Containern geübt wird, haben die Retter in Heidenheim und Ulm ihre gewohnte Arbeitsumgebung. Diese Simulationsübungen werden den rund 500 Mitarbeitenden als Fortbildung angeboten, niemand muss an solch einer Übung teilnehmen. Da die Rückmeldungen der bisherigen Übungsteilnehmer absolut positiv sind, geht Kühlmuß davon aus, dass es auch gar keinen Zwang braucht, damit alle Mitarbeitenden im Lauf der Zeit das Angebot wahrnehmen.
Ein weiterer Vorteil der mobilen Ulmer Lösung besteht darin, dass die Übungsumgebung auf die Rettungswachen kommt und damit die Wege kurz gehalten werden. In nur rund dreieinhalb Minuten ist das Fahrzeug-Duett an den Strom angeschlossen und über Funkverbindungen einsatzklar.
Der DRK Rettungsdienst Heidenheim-Ulm hat in diese Simulationsanlage rund eine viertel Million Euro investiert, Krankenkassen oder Landkreise beteiligen sich nicht an der Finanzierung, da die Aus- und Weiterbildung nach bisheriger Gesetzeslage einzig Sache der Hilfsorganisationen ist.