Verein verlässt Verschwörhaus

Verschwörhaus will sich neuen Gruppen öffnen

Der Verein „Verschwörhaus e.V.“ wird in Zukunft nicht mehr am Weinhof unter dem Dach des Verschwörhauses der Stadt Ulm aktiv sein, wie die Stadt mitteilt.

In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 3. Juni 2022 hat sich der Verein dagegen entschieden, den Widerspruch gegen die Markenanmeldung der Stadt zurückzunehmen. Damit hat er sich in der Konsequenz auch gegen die mit der Stadt erarbeiteten Nutzungsvereinbarung entschieden – folglich auch gegen die weitere Nutzung der Räume im Verschwörhaus. Oberbürgermeister Gunter Czisch bedauert diese Entscheidung sehr: „Die Stadt hat sich intensiv darum bemüht, dass der Verein im Verschwörhaus bleibt. Wir schätzen die Arbeit des Vereins und der Community sehr.“ Für die Zukunft gilt, wie Czisch unterstreicht, was Stadtverwaltung und Gemeinderat bereits Anfang Mai bekräftigt haben: „Wir möchten den offenen Charakter des Verschwörhauses stärken“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Demnach hatte sich die Stadtverwaltung mehrere Monate lang um eine Einigung mit dem Verein hinsichtlich der Nutzung des Verschwörhauses bemüht und mehrfach Kompromisse vorgeschlagen. In diesem Prozess kamen sich beide Seiten in der Frage der gemeinsamen Nutzung der von der Stadt finanzierten Räumlichkeiten in vielen Punkten näher. Niklas Schütte, seit Anfang Mai neuer Leiter des Verschwörhauses, konnte bereits mit dem Verein gemeinsame Leitlinien abstimmen, wie in Zukunft eine gemeinsame Zusammenarbeit verwirklicht werden könnte, heißt es weiter.

In dieser Phase legte der Verein Widerspruch gegen die Markenanmeldungen der Stadt Ulm bei der EUIPO (Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum) ein. Die Stadt hatte sich bereits im November 2021 zum Schutz des Logos und der Marke entschlossen, um auch in Zukunft die Nutzung des Namens für das Verschwörhaus zu gewährleisten und vor Missbrauch zu schützen. Dem Verein wurde von der Stadt in der Folge angeboten, Name und Logo weiterhin kostenfrei zu nutzen. Der Verein konnte sich allerdings bis heute nicht dazu entschließen, dieses Angebot anzunehmen und das Widerspruchsverfahren gegen die Stadt Ulm zurückzunehmen.

Das Verfahren läuft noch. „Eine gemeinsame Nutzung der Räumlichkeiten bei einem gleichzeitig laufenden Rechtsstreit über die Marke halte ich für ausgeschlossen,“ meint Niklas Schütte, „dieser Konflikt würde den Prozess erheblich beeinträchtigen, das Haus für mehr Gruppen zu öffnen.“ Eine Zusammenarbeit unter einem gemeinsamen Dach erscheint der Stadt unter diesen Gegebenheiten nicht als sinnvoll. Als Auszugstermin wird von der Stadt der 13. Juli 2022 angestrebt. Gleichwohl beabsichtigt die Stadt mit dem Verein, die nächsten Schritte der Trennung miteinander abzustimmen.

Niklas Schütte zeigt sich sehr enttäuscht: „Ich hätte gerne in meiner Vermittlerrolle zwischen Stadt und Verein Erfolg gehabt. Ich habe viele Sichtweisen des Vereins unterstützt, um einen Kompromiss zu erwirken. Letztendlich muss ich feststellen, dass die Kompromissbereitschaft des Vereins in vielen Punkten doch schnell an Grenzen stieß.“ Der neue Leiter hatte Anfang Mai seine Stelle im Weinhof angetreten, auch mit der Zustimmung des Vereins, der am Auswahlverfahren beteiligt war.

Niklas Schütte schaut dennoch unvermindert optimistisch in die Zukunft: „Ich baue darauf, mit Unterstützung aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft das Verschwörhaus als Begegnungsstätte rund um den digitalen Wandel und der digitalen Teilhabe weiter zu entwickeln. Ich bin nach wie vor positiv gestimmt, dass dieses gelingen wird. In der kurzen Zeit seit meiner Beschäftigung habe ich viele positive Gespräche mit verschiedenen Interessengruppen geführt. Hier freue ich mich auf die Zusammenarbeit. Wer Interesse an der Unterstützung des Verschwörhauses hat oder als Gruppe bei uns Veranstaltungen oder Programme umsetzen will, darf sich gerne bei mir melden.“

Weitere gemeinsame Projekte und Aktivitäten mit dem Verschwörhaus-Verein sind dennoch nicht ausgeschlossen. Für das von der Stadt finanziell unterstützte Projekt „Jugend hackt“ stehen die Räumlichkeiten des Verschwörhauses weiterhin zur Verfügung. Auch die bislang aktiven Nutzergruppen können auf Grundlage einer gemeinsamen Nutzungsvereinbarung mit der Stadt weiterhin am Weinhof 9 ihre Kurse, Treffen oder andere Aktivitäten anbieten.

Denn die Stadt möchte die Räumlichkeiten am Weinhof 9 wieder mehr Gruppen, Interessierten und Engagierten zur Verfügung stellen. Das entsprechende Konzept ist am 5. Mai 2022 einstimmig vom Hauptausschuss des Gemeinderats beschlossen worden. Es ist Grundlage für die Nutzungsvereinbarungen, die mit neuen Gruppen nun getroffen werden. Niklas Schütte wird dieses neue Konzept umsetzen und macht deutlich: „Wir sind immer dialogbereit – ein offenes Haus schließt für niemanden die Türen.“

Statement des Vereins

Der Verein hat inzwischen in einem Post reagiert und DONAU 3 FM folgende Stellungnahme zukommen lassen:

„Bei unserer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Freitag, 3. Juni 2022, haben wir beschlossen, dass wir die Widersprüche gegen die Markenrechtsanmeldungen der Stadtverwaltung aufrecht erhalten wollen. Damit können wir den Vertrag für die Marke und den fest daran geknüpften Nutzungsvertrag für die Räume, in der Form wie ihn die Stadtverwaltung uns vorgelegt hat, nicht unterzeichnen. Die Stadtverwaltung scheint ihrerseits nicht bereit, den von unserer Anwältin ausgearbeiteten Kompromissvorschlag zu verfolgen.

Die Stadtverwaltung hat uns nun nach mehrfachem Nachfragen signalisiert, dass sie in Folge dieser Entscheidung unseren Auszug bis Anfang August [Update Montag 12:00 Uhr] Mitte Juli erwartet. Deshalb machen wir uns unverzüglich auf die Suche nach neuen Räumlichkeiten und freuen uns über Hinweise und Unterstützung.

Dass wir auf der Hoheit über die Marke beharren, ist für uns kein leichter Schritt, aber ein unvermeidlicher: Das Verschwörhaus wurde von Anfang an durch das intensive Engagement und Herzblut Ehrenamtlicher geprägt. Schon vor dem ersten offiziellen, gemeinsamen Workshop im Juli 2016 haben sich Menschen zusammengefunden, die mit Projekten und Veranstaltungen wie „Jugend hackt“ einen niedrigschwelligen Zugang zur digitalen Welt schaffen und gesellschaftliche Prozesse kritisch begleiten wollten. Unser gemeinsames Ziel: Ein offenes Haus für alle zu schaffen.

Gleichzeitig war für uns früh klar: Wo viele Ehrenamtliche in Räumlichkeiten zusammen kommen wollen, muss viel Kommunikations- und Organisationsarbeit geleistet werden. Daher waren wir sehr dankbar, dass die Stadt Ulm uns sowohl Räumlichkeiten als auch einen hauptamtlichen Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt hat. Wir sind sehr glücklich, dass mit Stefan Kaufmann eine Person angestellt wurde, die explizit die Interessen der Ehrenamtlichen koordiniert hat: Er hat beispielsweise den Namen „Verschwörhaus“, wie wir ihn uns ausgedacht haben, auch gegen anfänglichen Widerstand bei der Stadt verteidigt – schon bevor die Idee eines „Stadtlabors“ im Gemeinderat vorgestellt wurde. Und er hat sich bis zuletzt für einen kreativen, kulturellen Freiraum eingesetzt.

Anfangs war der Austausch von Ehrenamtlichen und Stadtverwaltung geprägt von Kommunikation auf Augenhöhe. Wir konnten immer wieder eigene Praxisbeispiele und Prototypen einbringen. So waren wir beispielsweise stolz, dass die ehrenamtlich entwickelten Werkzeuge für Installation und Betrieb des Videokonferenzsystems „BigBlueButton“ von der Ulmer Verwaltung für das Schul-System UlmLernt.de genutzt wurden. Gleichzeitig hat die Stadtverwaltung aber immer mehr Ansprüche an uns gestellt, die lange durch einzelne Personen abgefedert wurden. Die von uns entwickelten Ideen und Projekte wurden immer häufiger durch die Stadtverwaltung in Kontexten gezeigt, über die wir gerne als gleichberechtigte Partner diskutiert hätten. Seit Herbst 2021 wuchs die Anspannung beständig an, wir sind aber in der Hoffnung auf einen guten Kompromiss bis zuletzt im Gespräch mit der Stadtverwaltung geblieben. Noch im April legte die Verwaltung uns eine Vorlage für den Gemeinderat vor, die ganz klar alleine die zivilgesellschaftlich organisierten, offenen Angebote unter das Label „Verschwörhaus“ stellen sollte. Dieser Vorschlag wurde dann jedoch kurzfristig und ohne weitere Absprache wieder geändert.

Da sich die Stadtverwaltung nach jedem akzeptabel wirkenden Zwischenergebnis noch weiter von der Position von uns Ehrenamtlichen entfernt hat, scheint eine einvernehmliche Lösung auf Augenhöhe nicht mehr erreichbar zu sein.

Der Oberbürgermeister hat das Verschwörhaus immer wieder als „Experiment“ bezeichnet. In E-Mails an uns formulierte er in den vergangenen Wochen, dass aus seiner Sicht dieses Experiment beendet sei, wenn wir unseren Widerspruch gegen die Markenanmeldung nicht zurückziehen. Das finden wir schade. Gleichzeitig fragen wir uns: Was ist das Ergebnis dieses Experiments?

Experimente scheitern eigentlich nicht. Gerade unerwartete Ergebnisse bringen die spannendsten Einsichten – egal ob Post-It, Teflon oder Penicillin. Die Herausforderung ist, die Erkenntnisse offen zu betrachten, zu analysieren, auszuformulieren und dann anzuwenden. Wenn dagegen von Anfang an nur ein vorab definiertes Ergebnis feststand und dies nicht eintrifft, ist nicht das Experiment gescheitert, sondern der Forschende.

Wir waren bis zuletzt offen für Wege, wie wir am Weinhof bleiben könnten. Eine nachbarschaftliche Nutzung unter verschiedenen Namen, mit unterschiedlichen Zielen, die sich in Austausch und Kritik gegenseitig bereichern, haben wir nie ausgeschlossen. Leider konnte zu diesem Streitpunkt kein Dialog auf Augenhöhe stattfinden. Auf unseren Namen „Verschwörhaus“ können wir nicht verzichten. Wir möchten nicht, dass der maßgeblich von uns Aktiven aufgebaute Name künftig für PR-Inszenierungen missbraucht werden kann.

Dass wir nun schlussendlich die Räumlichkeiten verlassen müssen, heißt nicht, dass jegliche Kooperation und Dialog mit uns beendet ist. Es heißt aber, dass das Verschwörhaus mit all seinem Leben und Material umzieht.

Zurück bleiben undekorierte ehemalige Büroräume und ein Haus ohne die bisherigen kritischen Stimmen und unser ehrenamtlich organisiertes Angebot – und damit auch ohne die Identität, die wir diesem Ort gegeben haben.“

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